Letzte Ausfahrt Ostfriesland
Draußen klatschte uns der Regen ins Gesicht. Ich hastete hinter Jan her, der ein Taxi anhielt. Während ich mich hinten kleinlaut auf die Rückbank verzog, wies Jan den Fahrer an, uns nach Kreuzberg zu fahren.
Durch die Heckscheibe beobachtete ich einen VW-Bully, der uns folgte.
In Kreuzberg forderte Jan den Fahrer auf, uns in der Nähe des Ankara abzusetzen.
Hohe Wohnsilos alter und neuer Prägung, Laternenschein, buntes Licht aus Geschäften. In grüner Schrift tauchte das Ankara vor uns auf. Jan ließ den Fahrer noch eine Straßenecke nehmen, dann standen wir im Nieselregen vor grauen Häuserfronten.
Ich wollte mir die Frage nicht stellen, was mich das eigentlich noch alles anging. Denn die Antwort war leicht zu finden. Es ging um die Zukunft meiner Tochter Inga. Doch auch Kaya bedurfte unseres Einsatzes, und ich hoffte auf die Entschädigung, die darin bestehen konnte, noch ein Jahrzehnt an der Seite der kleinen Person zu leben, deren zerbrechliche Schönheit mein Altern bremsen helfen sollte.
Jan ten Woolf sprach nicht. Er suchte ein Ziel, dem ich mich anschloss.
Es war nicht so, als hätte ich meinen Mut verloren. Im Gegenteil, auch ich war bereit zu kämpfen. Nur legte sich die triste Umgebung auf mein Gemüt, und ich atmete erst erleichtert auf, als wir das Ankara betraten.
Ich hatte das Gefühl, Berlin verlassen zu haben. Orientalische Lichtfeindlichkeit zauberte eine Gemütlichkeit, wie ich sie in Istanbul kennengelernt hatte.
Eine Welt für sich, hinter einer eigenen Mauer, abgeschirmt vom Stress der Uhr, saßen Türken vor ihrem Tee, ließen Steine über Brettspiele hopsen. Teelichter schufen eine Atmosphäre, die dem Land entnommen war, das auch Kayas Heimat war.
Jan ten Woolf hatte Rechtsanwalt Weidenreich entdeckt, der in einer dunklen Ecke mit einigen Männern am Tisch saß.
Jan stieß mich an, und ich folgte ihm. Josef Weidenreich erhob sich, stellte uns vor, wies dann auf die Männer und sagte: »Sie sind Freunde der türkischen Demokratie, die alle Gewalt ablehnt.«
Ein schwerer Mann mit umgebundener weißer Schürze fragte nach unseren Wünschen.
Wir bestellten Kaffee. »Espresso?«, fragte er. Wir nickten.
Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und ich betrachtete die drei Türken, die uns gegenübersaßen.
Die Männer hatten kantige Gesichter. Ihr Kampf um die Existenz ihrer Familien hatte sie geprägt.
Niemand sprach. Erst als der Wirt uns den Kaffee servierte, sagte Josef Weidenreich: »Lieber Herr Doktor, mein Freund ten Woolf ist Ihnen dankbar über die Studie des Herrn Heemerfeld. Er möchte aber noch gern, wenn Sie es gestatten, einige Fragen stellen.«
Jan sagte: »Wir haben vor wenigen Stunden den Unternehmer Heemerfeld aufgesucht, ihm einen Umzugsauftrag nach Ankara avisiert. Er gab freimütig zu, als es um illegales Umzugsgut ging, einen Partner in der Türkei zu haben, der diese Geschäfte für ihn regele, wie er sie auch für seine Aufträge in Deutschland einsetze. Kleine Verstöße gegen Einfuhrbeschränkungen gibt es demnach auf beiden Seiten?«
Dieser türkische Doktor sah gut aus. Er hatte auf den landesüblichen Schnurrbart verzichtet. Sein Haar war kurz geschnitten. Sein Gesicht verriet Bildung und Intelligenz.
»Herr ten Woolf, Sie sehen die Rolle des Unternehmers Heemerfeld richtig. Sie suchen allerdings nach einem Plan, nach dem große Rauschgiftsendungen in die BRD oder in den benachbarten EU-Raum verbracht werden. Ihr Erfolg mit der Sea Ghost in Amsterdam war nur ein Teilsieg.«
Ich verspürte, wie Jan nervös seine Oberschenkel hin und her bewegte. Er neigte sich vor. »Herr Doktor, ich glaubte, den Handel mit Rauschgift vergessen zu können. Mir geht es um den Boss der Meerestiere«, sagte er forsch.
Das zynische Lachen des Türken stieg auch mir unter die Haut.
Der Mann, der neben dem Doktor saß, ein kräftiger Türke mit riesigem Schnurrbart, zog ein DIN-A4-Foto hervor und schob es Jan zu.
Das Licht der Tischleuchte fiel darauf. Ich erkannte die Werbeschrift Heemerfeld und stellte fest, dass der LKW auf einem Autofriedhof zu stehen schien.
Der Türke schob ein zweites Bild nach. Um einen Tankzug standen Soldaten und zogen Gewehre aus den Anschlussstutzen.
»Heemerfeld schmuggelt Waffen«, stellte Jan ten Woolf fest.
»Und zurück Opium«, antwortete der Türke, der der Dritte im Bunde war. Er fuhr fort: »Ich nicht sprechen gut Deutsch, aber noch muss ich sprechen von diese Foto, die nicht haben will jemand.«
Auch seine Bilder
Weitere Kostenlose Bücher