Letzte Ausfahrt Ostfriesland
Schließlich klappte er den Ordner zu.
»Herr Weidenreich, ich danke Ihnen, doch ich hätte gern erfahren, woher die Informationen stammen«, sagte er, und ich merkte ihm an, dass er innerlich beunruhigt schien.
»Ein Mann lieferte sie mir, der Türke ist und die Meerestiere hasst und bekämpft«, antwortete der Anwalt. »Seinen Namen und seine akademische Herkunft preiszugeben brächte ihn in Lebensgefahr.«
»Diesen Mann würde ich gerne kennenlernen«, sagte Jan.
»Ich kann ihn fragen. Allerdings müssten Sie für seine und die Sicherheit seiner Freunde die Garantie übernehmen.«
»Das ist ohne Schwierigkeiten machbar«, sagte ten Woolf.
Weidenreich ging zum Telefon, wählte die Nummer und wartete. Wir hörten zu, als er sagte: »Ich bin es - Josef. Kannst du unseren türkischen Freund an den Hörer bekommen? Danke.« Der Anwalt wartete, dann sagte er: »Hör zu. Der Kommissar von Interpol möchte dich sprechen.« Er legte auf und kam zu uns.
»Heute Abend um zwanzig Uhr im Ankara?«, fragte er.
Ten Woolf nickte. »Für seine Sicherheit ist dann gesorgt«, sagte er.
»Ankara ist eine türkische Tee- und Kaffeestube«, erklärte Weidenreich. »Dort verkehren keine Deutschen und erst recht keine Meerestiere. Es liegt in Kreuzberg.«
Ten Woolf nickte. »In Berlin befinden sich nur einige Schlupflöcher. Im Moment haben wir hier keine ernsthaften Bedenken, denn heute Abend werden unsere Kollegen aus Düsseldorf das eigentliche Nest der Meerestiere ausheben. Im Industriegebiet in der Nähe einer Aluminiumhütte befindet sich innerhalb einer vor etwa zwanzig Jahren erbauten Arbeitersiedlung eine Zentrale mit eigener Druckerei und einem Waffen- und Schießkeller. Paul Hammes hat gute Arbeit geleistet.«
Ich staunte, denn mit diesen Ausmaßen hatte ich nicht gerechnet, und mir kam der Gedanke, dass Kaya und ich dieser Organisation im Weg standen. Werners Wohnung war also nicht mehr der sichere Hort.
Ten Woolf sah mich an.
»Klaus, mach uns einen Kaffee. Ich telefoniere mit meiner Kommission, damit wir heute Abend nicht die Opfer zufällig geworfener Handgranaten werden.«
Während er sich mit seinen Kollegen besprach, hantierte ich sorgenvoll in der Küche mit dem Geschirr herum.
Seinen Aussagen am Telefon konnte ich keinen Sinn entnehmen. Er sprach von Stiefmütterchen, die lila blühten, Geranien, die sich gut entwickelten und von einer Thujahecke, die gestutzt werden musste. Circa zehn Säcke Torf benötige er für den Rasen, denn er hätte Beete mit einem, vierzehn, elf, einem, achtzehn und wieder einem Quadratmeter zu versorgen.
Auch Rechtsanwalt Weidenreich hatte keinen Durchblick gewonnen, als Jan den Hörer auflegte und zu uns kam. Ich servierte den Kaffee und sagte: »Leider habe ich kein Gebäck im Hause.«
Jan lachte: »Klaus, noch werden uns die süßen Dinge vorenthalten. Aber nicht mehr lange.«
Wir rauchten zum Kaffee. Noch immer lag der Ordner auf dem Tisch, der fünf Seiten über Heemerfeld enthielt, der einer der erfolgreichsten Neuunternehmer Berlins war und entsprechend nicht nur Anerkennung fand, sondern auch Einladungen in die Kreise erhielt, die sich in Berlin zur Elite zählten.
Heemerfeld war zugegen, wenn die Bundeskanzlerin ein Essen gab oder der Bundespräsident bei Kaffee und Kuchen im kleinen Kreis sprach.
»Was hat die Akte auf sich?«, fragte ich Jan.
»Mein Freund, wir jagen alle nach Wohlstand und Anerkennung. Wenn ein Mann es nach amerikanischem Muster geschafft hat, aus dem Nichts aufzutauchen, während seine Bankkonten bersten und platzen, wechselt er die Seiten.«
Er trank vom Kaffee und sagte zu Weidenreich: »Herr Rechtsanwalt, wir sehen uns heute Abend im Ankara in Kreuzberg.«
»Wenn Sie das wünschen und ich Ihr Vertrauen genieße«, antwortete Weidenreich.
»Davon können nicht nur Sie ausgehen, sondern auch Ihr türkischer Bekannter«, sagte Jan.
Der Anwalt erhob sich. »Ich muss in die Kanzlei.«
Als er uns verließ, hatte ich das Gefühl, dass er nicht nur mein Rechtsberater, sondern auch mein Freund war.
»Ein Glückstreffer«, sagte Jan und fuhr fort: »Wir beide unternehmen noch einen Spaziergang. Kein Todesschütze wird eine Pistole auf dich anlegen, denn wir werden bewacht wie bei einem Staatsbesuch.« Er schlug mir vertrauensvoll auf die Schulter, wie er das so oft auf der Sea Ghost getan hatte.
»Und wohin führst du mich?«, fragte ich und setzte ironisch hinzu: »In den botanischen Garten oder in den Zoo?«
»Weder noch. Wir werden uns
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