Letzte Bootsfahrt
Voglreiter sich bereits im Aufbruch befand. Der Loisl, so stellte Gasperlmaier fest, schwankte beträchtlich, als er sich zu den Kleiderhaken begab, um dort seine Jacke abzuholen.
„Mama, ich muss noch einmal in den Dienst. Wir haben einen Todesfall. Soll ich dich vorher noch heimbringen?“ „Einen Todesfall habt ihr? Und was hat da die Polizei damit zu tun? Wer ist denn gestorben?“ Das konnte Gasperlmaier jetzt gar nicht brauchen, dass ihn die Mutter mit zahlreichen Gegenfragen nervte, anstatt ihm einfach zu sagen, ob sie mit ihm mitkommen wollte oder nicht. „Mama, gehst du jetzt mit mir heim, oder bleibst du da? Ich hab’s eilig!“, wurde er deshalb ein wenig deutlicher. Die Mutter winkte ab. „Ich bin noch nicht im Altersheim, Franzl. Ich find schon alleine heim. Wenn mich nicht einer der Herren begleiten möchte.“ Wieder kicherte die Mutter so kindisch. Was war nur mit ihr los? „Also, pfüat di, Mama! Ich geh dann!“ Er konnte sich jetzt wirklich nicht mehr länger bei der Mutter aufhalten, die Zeit wurde knapp.
Erst als Gasperlmaier sein Auto in der Einfahrt seines Hauses anhielt, wurde ihm klar, dass er keinesfalls mehr hätte fahren dürfen. Wie viele Achterl waren es gewesen? Und wie viele Seidel und Schnäpse davor? Im Vorhaus rief er nach der Christine. „Was ist, Gasperlmaier? Ich bin gerade beim Kochen, ich versteh dich nicht! Ist so laut in der Küche!“ Er steckte seinen Kopf in die Küche. „Ich muss noch einmal zum Dienst! Wir haben einen Toten, und die Frau Doktor kommt heute noch zu uns herein. Ich muss schauen, dass ich wieder einen klaren Kopf bekomme.“ Die Christine drehte sich um. „Bist beim Leichenschmaus versumpert, was? Ich hab mich eh schon gewundert, dass du so lange nicht gekommen bist. Hätt ich nicht geglaubt, wo du doch mit deiner Mama unterwegs warst.“
Gasperlmaier winkte ab. Er hatte jetzt wirklich keine Nerven für so ein Geplänkel. „Ich geh schnell duschen!“ In der Dusche ließ Gasperlmaier das Wasser zuerst heiß, dann so kalt laufen, dass er es gerade noch aushielt. Nicht ohne lautstark zu stöhnen, sodass die Christine nachschauen kam. „Ist dir schlecht?“ Heute bemühte sie sich aber schon sehr, dachte Gasperlmaier bei sich, ihm auf die Nerven zu gehen. Wieso sollte ihm denn von ein paar Seideln Bier und einigen Achterln Wein schlecht geworden sein? So viel vertrug ja die Christine sogar selber, ohne dass sie sich übergeben musste.
Als er aus der Dusche stieg, fühlte er sich schon wesentlich besser und erfrischt. Es würde schon gehen – allerdings sollte er darauf achten, dass nicht gerade er selbst den Chauffeur machte, es musste halt jemand anderer fahren. Als er seine geliebte Uniform wieder trug, fühlte er sich vollends wiederhergestellt. Bis auf das Ziehen im Nacken. Vielleicht würde er sich doch so einen Chakra-Stein beschaffen. Nicht, dass er daran glaubte – aber schaden konnte es ja auch nicht. Er musste ihn ja nicht gerade der Witwe des Mordopfers abkaufen.
Etwas skeptisch musterte ihn die Christine, als er sich vor dem Spiegel im Vorhaus das Hemd zuknöpfte und die Krawatte um den Hals schlang. „Putzt du dich jetzt noch ein bisschen heraus? Wegen der Frau Doktor?“ Plötzlich, fiel Gasperlmaier auf, hatte sie es gar nicht mehr so eilig mit dem Kochen. „Was du nur immer hast!“, konterte er und bemühte sich, die etwas widerspenstige Krawatte in einem halbwegs ansehnlichen Knoten zu bändigen. „Ich weiß ja nicht, was ihr da draußen vor der Hütte gemacht habt, nach der letzten Ermittlung, aber wie du wieder hereingekommen bist, hast du so verzückt und geistesabwesend dreingeschaut, dass ich mich schon gewundert hab!“
Das war es also! Nach dem letzten Fall hatte ihn die Frau Doktor auf der Terrasse der Loserhütte ganz freundschaftlich auf beide Wangen geküsst, als sie sich verabschiedet hatte. Er selbst war wieder in die Hütte zurückgekehrt, wo auch die Christine gesessen war. Er war sich sicher gewesen, sich bestens unter Kontrolle gehabt zu haben – aber die Christine hatte doch was gemerkt und es bis heute nicht vergessen! Aber wie dem auch war, er konnte sich jetzt mit solchen Kleinigkeiten des Gefühlslebens seiner Frau nicht aufhalten. Er zog sie an sich heran, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, den sie auch, schelmisch lächelnd, erwiderte. War also doch nicht so schlimm. Dann stürmte Gasperlmaier zur Haustür hinaus und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Posten. Ein Blick auf die Uhr zeigte
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