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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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mit Rotwein. Die Mutter trank sonst selten, nicht einmal, wenn sie bei ihnen zu Hause eingeladen war, zum Muttertag zum Beispiel, trank sie mehr als vielleicht einen Sekt mit Orangensaft. Was war heute bloß mit ihr los?
    Gasperlmaier setzte sich neben sie. „Entschuldigung, Mama. Aber es war ein Notfall, der Friedrich hat mich gebraucht.“ Die Mutter musterte ihn von der Seite her. „Ist mir eigentlich gar nicht aufgefallen, dass du weg warst.“ Gasperlmaier war gerade dabei, einen entrüsteten Kommentar vorzubereiten, was bei ihm meist etwas länger dauerte, als seine Mutter schon weitersprach: „Den Herrn Doktor Schwaiger kennst du ja schon. Und das ist der Sepp Manzenreiter, der ist auch mit uns in die Schule gegangen, ein Jahr unter uns. Er hat die Voglreiterin auch gut gekannt.“
    Gasperlmaier hob seinen Hintern ein klein wenig, um dem Sepp Manzenreiter die Hand schütteln zu können. Der war, ganz im Gegensatz zum Doktor Schwaiger, klein gewachsen und äußerst beleibt. Das Gilet spannte über seinem Kugelbauch ganz gewaltig, und Gasperlmaier hatte das Gefühl, als leide er allein vom Aufstehen und Händeschütteln schon an Atemnot. Wenn er allerdings, so rechnete Gasperlmaier, ein Jahr jünger war als seine Mutter, dann war er gerade einmal siebzig. Gasperlmaier hoffte, in diesem Alter noch etwas besser beisammen zu sein. Schließlich bestand ja Aussicht, mindestens bis 65 arbeiten zu müssen, da wollte man danach auch noch etwas vom Leben haben. Gasperlmaier grollte innerlich. Die beiden Herren ihm gegenüber, die genossen sicher schon mehr als zehn Jahre fidel ihre Pension und jammerten, wenn die jährliche Erhöhung einmal ein wenig knapper ausfiel. Dafür schäkerten sie schamlos, selbst in seiner Gegenwart, weiter mit der Mutter.
    „Mama, ich bin eigentlich gekommen, dass ich dich heimbringe!“ Statt der Mutter antwortete der Doktor Schwaiger. „Aber was! Wo wir uns doch gerade so gut unterhalten! Trinken S’ ein Glaserl mit uns, Herr Inspektor!“ Er nahm ein unbenutztes Weinglas, das noch umgedreht auf seinen Einsatz wartete, und füllte es aus einer Flasche, die direkt vor ihm stand. „Prost!“ Etwas gezwungen lächelte Gasperlmaier. Er musste wohl gute Miene zum bösen Spiel machen und mittrinken, er konnte ja seine Mutter schlecht am Kragen hinausschleifen.
    So kam es, dass Gasperlmaier nach drei oder vier weiteren Achterln auch schon über die Witze der Herren Schwaiger und Manzenreiter hellauf mitlachte, als sein Handy läutete. Gasperlmaier wühlte in seiner Hosentasche danach, doch als er es endlich daraus befreit hatte, glitt es ihm aus den Händen, fiel zu Boden und verstummte. Gasperlmaier klaubte es auf und stellte fest, dass er den Namen auf dem Display nur verschwommen sah, wie durch Milchglas. War das Handy kaputt, oder war er schon zu betrunken, um scharf zu sehen? Gasperlmaier eilte nach draußen und drückte die Rückruftaste. „Grüß Sie, Gasperlmaier. Kohlross hier.“
    Gasperlmaier traf fast der Schlag. Auf ein Gespräch mit der Frau Doktor war er jetzt nicht vorbereitet gewesen. Er nahm all seine Konzentration zusammen, um mit fester Stimme antworten zu können. Gleichzeitig fiel ihm ein, wie ihn die Frau Doktor beim Abschied nach dem letzten Fall auf beide Wangen geküsst hatte, was seine Sprechhemmung noch verstärkte. „Gasperlmaier, sind Sie noch dran?“, meldete sich die Frau Doktor deshalb nochmals. „Ja, ja!“, beeilte er sich nun zu antworten und nickte dazu ins Telefon. „Dann hören Sie mir jetzt bitte genau zu. Ich komme heute noch nach Altaussee, wegen Ihres ungeklärten Todesfalls. Ferdinand Breitwieser, lese ich da. Sie haben den Toten schon gesehen? Was ist Ihr Eindruck?“ Gasperlmaier setzte die Frau Doktor ein wenig umständlich ins Bild, sodass sie ihn mehrmals daran erinnern musste, ihr nicht von Engeln und energetisiertem Wasser, sondern von dem Toten zu erzählen. „Ja, Gasperlmaier“, sagte sie schließlich. „Gibt Überstunden heute. In einer Stunde auf dem Posten, okay?“ Gasperlmaier bestätigte, worauf die Frau Doktor auflegte.
    Wie er in einer Stunde wieder halbwegs diensttauglich und nüchtern sein sollte, war ihm ein Rätsel. Er musste sofort heim, die Christine konnte ihm vielleicht helfen. Davor aber hieß es noch, sich um die Mutter zu kümmern. Er kehrte in die Gaststube zurück und stellte fest, dass die Mutter und die beiden Herren gar keine Anstalten machten, auszutrinken und nach Hause zu gehen, während die Familie

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