Letzte Bootsfahrt
Die Eltern sollten doch bitte dafür sorgen, dass die Ausrüstungslisten auch ernst genommen wurden. So viel, dachte Gasperlmaier bei sich, zum Thema Frauen und Schuhe.
Der Audi der Frau Doktor, der bei einem der letzten Einsätze mehr als nur ein paar Schrammen davongetragen hatte, war wieder wie neu. „Das haben sie aber in der Werkstatt prima hingekriegt!“, lobte Gasperlmaier und strich fast zärtlich über den Lack des vorderen rechten Kotflügels, der offenbar völlig erneuert worden war. „Wo denken Sie hin, Gasperlmaier, ich fahr doch nicht mit so einer verzogenen Unfallkutsche herum! Der ist natürlich neu!“ Gasperlmaier kam sich wie ein Trottel vor, als er auf dem Rücksitz Platz nahm, während sich der Friedrich mühsam und stöhnend in den Beifahrersitz zwängte. „Man will ja schließlich wissen, wofür man arbeiten geht. Ist doch viel schicker als der alte, finden Sie nicht, Gasperlmaier?“ Der einzige Unterschied zu ihrem alten Audi, den er feststellen konnte, war der, dass es ihn noch gewaltsamer in die Polster drückte, als die Frau Doktor Gas gab.
3
Das Haus der Breitwiesers war leer. Die Frau Doktor hatte dem Uniformierten, der davor Wache gehalten hatte, die Schlüssel abgenommen und ihn heimgeschickt. Gemeinsam standen sie vor der offenen Klotür, hinter der jetzt natürlich nicht mehr der Herr Breitwieser kniete, den hatte man längst in die Gerichtsmedizin gebracht.
„Es findet ein Kampf statt“, sagte die Frau Doktor. „Wo?“, erschrak Gasperlmaier und wandte sich um. „Nicht jetzt, Gasperlmaier. Historisches Präsens. Um mir die Angelegenheit besser vorstellen zu können.“ Gasperlmaier versuchte vergeblich, die Hitze, die über sein Gesicht aufstieg, zu unterdrücken. Die Frau Doktor aber war ohnehin völlig in Gedanken und schenkte ihm und seinen heißen Ohren keine weitere Beachtung, und der Friedrich stand schwer atmend mit dem Hintern an den Schuhschrank gelehnt und hatte offenbar andere Sorgen. „Die Person, die Breitwieser angreift, ist entweder seine Frau oder jemand Dritter, der durch die offene Haustür eingedrungen ist und Breitwieser attackiert.“ Die Frau Doktor ging langsam zur Haustür zurück, was nur dadurch ermöglicht wurde, dass der Friedrich seinen Wanst so weit wie möglich einzog und sich fest an das Schuhschränkchen drückte. Gasperlmaier machte sich mehr Sorgen um das Schränkchen als um den Friedrich. „Er – oder sie – kommt hier herein. Soweit wir wissen, ohne Tatwaffe. Aber mit einem fürchterlichen Hass auf den Breitwieser. Will ihn vielleicht zunächst nur zur Rede stellen.“
Die Frau Doktor ging wieder zurück zum Klo. „Was ich nicht verstehe“, sagte sie, wandte sich zu Gasperlmaier um und legte einen Finger an den Mund. Gasperlmaier fiel auf, dass ihre sinnlichen Lippen himbeerrot glänzten. „Wieso am Klo? Wenn der Herr Breitwieser gerade, also, wenn er gerade“, sie gestikulierte ein wenig unsicher herum. „Wenn er also gerade sein Wasser gelassen hat“, half der Friedrich trocken aus. „Ja, danke. Dann war ja die Tür zu. Und verschlossen. Wie konnte dann der Täter oder die Täterin hinterrücks auf ihn losgehen? Er wird ja nicht gerade bei offener Tür? Was denken Sie, meine Herren?“ Gasperlmaier konnte der Theorie der Frau Doktor wenig abgewinnen. Wenn nachweislich niemand zu Hause war, dann hielt auch er selbst sich selten damit auf, die Klotür hinter sich zuzuziehen. Wozu auch? Ganz anders war es für ihn auf öffentlichen Anlagen. Er benutzte ungern Pissoirs, weil er die Bewegungen und Geräusche allfälliger Nachbarn als äußerst störend empfand. Der Gang auf die Toilette war für ihn doch etwas eher Intimeres. Noch schlimmer war es, wenn er ein größeres Geschäft etwa in einer Kabine hätte verrichten sollen, die nur durch eine dünne Sperrholzwand von der Nachbarkabine getrennt war. War Gasperlmaier in so einem Fall den Geräuschen und Gerüchen aus der Nachbarkabine hilflos ausgeliefert, konnte er gleich wieder seine Hose hochziehen, denn in ihm verkrampfte sich dann alles so heftig, dass an Erleichterung gar nicht mehr zu denken war.
„Mein Gott, Frau Doktor“, meinte hingegen der Friedrich. „Wir Männer sind da nicht so. Ob Tür offen oder zu, ob Klo, Garten oder Autoreifen – jede Gelegenheit ist recht.“ Die Frau Doktor sah den Friedrich, wie Gasperlmaier fand, einigermaßen erschüttert an. Andererseits konnte ihm Gasperlmaier nicht widersprechen – nicht nur einmal hatten sie LKW s auf
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