Letzte Bootsfahrt
stellte einen langen Riss darin fest. „Sakrament!“, musste er nun noch hinzufügen. Bereits die zweite Jacke, die er heute im Einsatz ruiniert hatte. Und diesmal sogar Privatkleidung. Dass die junge Voglreiterin ihre Rosen aber auch nicht ordentlich schneiden konnte. Was wollte sie denn mit so langen Trieben?
„Gasperlmaier?“ Der Friedrich kam ihm von der anderen Seite her entgegen, Gasperlmaier konnte ihn im Dämmerlicht gerade noch ausnehmen. „Hast wen gesehen?“ Gasperlmaier schüttelte den Kopf. „Aber den Rock hab ich mir ruiniert. Bei den Rosentrieben.“ „Jetzt komm halt zur Haustür, die Frau Doktor ist schon drin!“
Auf dem Rückweg versuchte Gasperlmaier, den Rosen, so gut es ging, auszuweichen. Als sie die Haustür erreicht hatten, die nur angelehnt war, hörten sie von drinnen ein lautes Scheppern, dem gleich ein zweites folgte. Der Friedrich zog seine Dienstwaffe, schlich sich ins Haus, so unauffällig es bei seiner Leibesfülle eben ging, und bedeutete Gasperlmaier, ihm zu folgen. Im Vorhaus trafen sie auf die Frau Doktor, zu deren Füßen bereits ein Scherbenhaufen lag. Eben kam ein weiterer Teller aus der Küche geflogen und zerschellte an der Garderobenwand. Die Scherben sprühten nur so in alle Richtungen. „Dass ihr mich nicht in Ruh lassen könnt, ihr Hundspolizisten, ihr miserablen!“, hörte man die Bruni schreien, und diesmal kam eine Salatschüssel geflogen. Die Frau Doktor zuckte ratlos mit den Schultern. „Zuerst hat sie ganz normal aufgemacht, und dann ist sie ausgerastet. Ich bin hier in Deckung gegangen.“ „Ihr könnt’s mich alle am Arsch lecken! Und der Loisl sowieso! Und die tote Voglreiterin, und alle miteinander!“ Ein Bierglas kam geflogen. Gasperlmaier hielt sich die Hand vor die Augen, denn er musste nicht unbedingt einen Glassplitter ins Auge bekommen. Der Friedrich aber schob die Frau Doktor zur Seite und ging einfach in die Küche hinein. Gasperlmaier konnte noch sehen, dass er von einer Suppenschüssel am Bauch getroffen wurde, was seinen Fortschritt aber in keiner Weise zu hemmen schien.
„Jetzt beruhig dich halt einmal, Bruni!“, hörte Gasperlmaier aus der Küche und folgte der Frau Doktor durch den Scherbenhaufen, der unter ihren Schuhen knirschte. Der Friedrich hatte die Bruni mit seinen Pranken fest umarmt und hielt sie an seinen Bauch gedrückt. Die Bruni zappelte und schrie. „Lass mich los, ich bring euch um, ich bring mich um, mir reicht es jetzt!“ „Sei ruhig, Bruni“, sagte der Friedrich, ganz gelassen und leise. „Sei einfach ruhig. Ich hol uns einen Schnaps.“
Plötzlich erschlaffte die Bruni in den Armen des Friedrich und begann hemmungslos zu schluchzen. Der Friedrich ließ ein wenig los, stützte die Bruni um die Hüfte und führte sie zur Frau Doktor. Die Bruni legte die Arme um den Hals der Frau Doktor und heulte die Schulter ihrer Jacke voll. Gasperlmaier war das alles ein wenig zu viel an Gefühlsäußerungen, er setzte sich an den Küchentisch und sah dem Friedrich zu, wie er zum Vitrinenschrank ging, eine Schnapsflasche und vier Stamperl herausnahm und alles auf den Tisch stellte. Die Frau Doktor hatte es inzwischen geschafft, die Bruni auf einen Sessel zu bugsieren und mit einem Taschentuch zu versorgen. Die heulte weiter und sank auf ihrem Sessel immer tiefer in sich zusammen.
Nun saßen sie alle vier um den Tisch herum und warteten darauf, dass man die Bruni ansprechen konnte. Der Friedrich schenkte die Schnapsstamperl voll. „Wo ist er denn?“, fragte er schließlich. „Du musst doch eine Idee haben, wo er ist.“ Die Bruni zuckte mit den Schultern. „Ich will ihn eh nimmer sehen! Wenn er die alle umgebracht hat!“ „Für einige Zeit werden Sie ihn auch sicher nicht mehr sehen, wenn wir ihn erwischen“, warf die Frau Doktor ein. Der Friedrich schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, wohl um seiner Meinung Ausdruck zu verleihen, die Frau Doktor sei jetzt psychologisch eher unklug vorgegangen. Die Bruni sah zur Frau Doktor auf. „Ich halt das alles einfach nimmer aus. Das ist mir alles zu viel, verstehen Sie? Ich hab den Loisl seit vorgestern nicht gesehen. Und die Tage davor ist er herumgeirrt wie ein Schatten, hat nicht geredet mit mir. Ich hab mir gedacht, ich kenn ihn ja gar nicht mehr!“ Wieder begann sie, leise in ihr Taschentuch zu flennen. Gasperlmaier tat die Bruni leid. Schließlich war für sie eine Welt zusammengebrochen. Er wusste nicht einmal, ob sie eine Arbeit hatte. Wenn nicht, war natürlich
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