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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Minuten.«
    Ein Knacken beendete die Ansprache des Kommandanten, doch Robert Rösch blieb noch, wie alle anderen Männer in der Messe auch, einen Augenblick lang stehen, ehe er schweigend die drei Terrinen nahm und sie von der Back zum Geschirrspüler brachte. Wenig später stand er mit uralter Richard und Opernsänger in der Rauchernische des Längsganges.
    Uralter Richard sagte: »Der Tod klopft niemals an!«
    Opernsänger nickte: »Warum auch?«
    Robert Rösch sagte: »Vielleicht auch besser so.«
    Sie warteten auf den Anfang ihrer Schicht und schlenderten zu den Verarbeitungshallen.
    »Wenigstens wieder Arbeit!«, sagte Opernsänger .
    »Besser mehr als leer!«, sagte uralter Richard , ehe Robert Rösch für alle sprach und dabei ein wenig zu laut wurde: » Langer Finger war ein verdammt feiner Kerl!«
    Wenn Mathilde etwas nicht mochte, dann waren es Pflanzen in Töpfen. Das war doch gerade das Große und Erhabene an Blumen und Bäumen, dass sie in der Heimaterde blieben! Bäume wie Porzellan mit sich herumzutragen, das sei schlecht, war Mathilde sich sicher.
    Und wieder sah sie diesen dicklichen Jungen, der sich an den Zaun klammerte und zu ihr herübersah. Pause für Pause stand er dort, während die anderen Kinder hinter ihm spielten, schrien und lachten. Niemals beteiligte sich der Junge. Er sah immer nur zu ihrem Haus herüber; unheimlich! Mathilde hatte sogar schon von ihm geträumt, von seinen großen, schwarzen Augen, mit denen er sie ernst angestarrt hatte.
    Noch zehn Minuten, dann war Mittagszeit für die Mädchen und Jungen des benachbarten Kindergartens, Mathilde drehte sich von der geschlossenen Terrassentür weg, und bevor sie selbst zur Arbeit ging, setzte sie sich noch einmal auf das weiße Ledersofa, das mitten im Raum stand und auf sie verloren wirkte. Zwischen den gerahmten Postern aller Viermaster der Welt befanden sich auch Fotos von Stagg , dem ältesten Baum der Erde.
    Dieser Mammutbaum war so gewaltig, dass sein Abbild aus sechs aneinander gehefteten Fotos bestand. Sequoia-dendron giganteum , Mathilde hatte Staggs lateinischen Namen auswendig gelernt, so viel bedeutete er ihr. Sein Entdecker allerdings hatte ihn Stagg genannt – nach einem Footballtrainer! Auf solche Ideen konnten doch auch nur Männer kommen! Mathilde sah zum Wipfel des Baumes, in dem sich als winziger roter Punkt ein Mensch befand.
    Zweiundsiebzig Meter war Stagg groß. Seine Heimat war das Cap Nelson in Kalifornien, wo es noch mehr Riesenmammutbäume gab, doch war keiner älter als Stagg : dreitausend Jahre.
    Und somit hatte es ihn schon gegeben, als ein gewisser Noah in Afrika Holz für seine Arche zusammengesucht hatte.
    Stagg kannte die ganze und die wahre Geschichte. Er wusste, wie das damals mit dem fliegenden Menschen gewesen war, den sie Jesus nannten.
    Für Mathilde war Stagg der Anfang, der Anfang von allem. Er war der letzte der ersten Bäume.
    Sie stand auf und ging zu dem einen Meter siebzig großen Bild. Sie bemerkte Fingerabdrücke auf der Glasscheibe und wischte sie mit einem Papiertaschentuch weg, wobei sie sorgsam und langsam Kreise zog, bis die Abdrücke verschwunden waren. Mathilde hauchte aufs Glas und konzentrierte sich wieder aufs fotografierte Grün. Im Laufe der vielen Jahrhunderte hatten Stürme dicke Äste an den Enden Staggs abgeknickt, und später waren aus diesen Enden ganz neue Bäume entstanden. Aus dem uralten lebenden Stagg waren neue Bäume gewachsen, und jeder jüngere Baum hatte seinen eigenen Charakter entwickelt, aber keiner war wie der des alten Staggs .
    Stagg , einsamer Gigant. Letzter seiner Art. Und unwillkürlich dachte sie an ihre Tochter Luise, die als ausgebildete Kampfschwimmerin eine der Ersten ihrer Art war. Mathilde lächelte, als sie wieder zum alten Stagg sah. Jedes Jahr ließ er elftausend Zapfen, gefüllt mit Millionen von Samen, auf den Waldboden fallen – und wann würde Luise wohl schwanger werden?
    Staggs Stamm hatte einen Umfang von dreiunddreißig Metern – und wann würde Luise wohl heimisch werden und sich einrichten?
    Ein Nadelbaum. Ein immergrüner Mammutbaum. Sechzig Zentimeter Wachstum im Jahr, dank eines raffinierten Hydrauliksystems, mit dem das Wasser aus den Wurzeln bis in die Zweige gepumpt werde, wozu der Baum allerdings vier Wochen brauche. Vier Wochen, ehe das Wasser oben ankomme, aber Zeit habe für Stagg ja keine Bedeutung, der es dank seines unbändigen Lebenswillens geschafft habe, dass sich kein einziger Pilz je an sein rötliches Holz

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