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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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der Jungen ruhen, der einfach seinen Schulrucksack auskippte, den Berg auf dem Tisch liegen ließ und sich auf den Platz daneben setzte. Sie sagte nichts. Jungs mussten ausprobieren, sie mussten selbst Lösungen finden, sie mussten im Wettstreit stehen, aber all das war in der geglätteten Welt nicht mehr möglich. Mathilde verstand sie, wenn sie sich zurückzogen und sich in Computerspielen eine zweite Existenz aufbauten. Jungs durften in der realen Welt nicht mehr Jungs sein, wurden sie hier doch in neue Rollen gezwängt, um den Anforderungen anderer zu genügen. Da sie aber doch Jungs blieben, suchten sie sich andere Wege, die sie hoffentlich auch fanden.
    »Guten Tag«, sagte sie: »Dann macht mal eure Musik aus.«
    »Ich komme gleich«, sagte Luise und verschwand im unteren Badezimmer, während Mathilde die Rundtreppe hochstieg, das Tablett auf den Wohnzimmertisch stellte und die Tür des Nordbalkons öffnete. Sie rückte die beiden Liegestühle in die Sonnenecken des großen Balkons, zog die Rückenlehnen hoch und schob einen der beiden Beistelltische dazwischen. Die Stühle waren zum Meer hin ausgerichtet, über das der Ostwind die Gischtkronen aus dem Wasser peitschte. Windstärke sechs bis sieben, meinte sie und fragte sich, wie es Robert jetzt ergehe. War sein Schiff in einem Sturm? Langweilten sie sich, weil es keinen Fang gab? Oder arbeitete er bis über die Grenzen der Erschöpfung hinaus? Dachte er an sie?
    Wieder schreckte Luise sie aus den Gedanken, als sie sich neben sie setzte und sagte: »Das Meer! Wird doch nie langweilig. – Sind die verkrüppelten Küstenkiefern schon wieder gewachsen?«
    Auch Mathilde sah zu den krummen Bäumen, die sich am Rand der Steilküste hielten: »Das haben Bäume so an sich, dass sie wachsen. Wenn man sie lässt.«
    Luise nickte und goss die Tassen mit Kaffee voll. Wieder verschwand die Sonne hinter einer dicken Wolke, die anders als die anderen grau war und sogar einen kleinen schwarzen Fleck hatte. Das erste Anzeichen, Mathilde kannte es: »Bald kommt ein Schauer!«
    »Ja«, sagte ihre Tochter: »Schauer kommen immer bald.«
    Mathilde sah zur Seite und sagte: »Nun erzähl mal, wie es dir wirklich geht.«
    Luise trank einen Schluck, ehe sie sagte: »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden.«
    »Schon wieder?«
    »Ja.«
    »Wohin geht es diesmal?«
    »Nach Spitzbergen, da wartet ein Walfänger auf uns.«
    »Ein Walfänger? Was soll das denn? Ich denke, ihr begleitet nur Frachtschiffe.«
    »Ja, gegen Pirateneinsätze ja, aber ich glaube, den Walfänger sollen wir vor Greenpeace beschützen, die haben von den Piraten gelernt«, sagte Luise: »Viel mehr darf ich dir gar nicht sagen. Unsere Mission ist geheim.«
    »Ach, ganz was Neues! – Wärst du doch bloß bei der Marine geblieben, die haben dich so gut ausgebildet. Du wärst ein paar Jahre bei den Marinetauchern geblieben, dann hättest du dich nach Hamburg oder Eckernförde versetzen lassen können, schön im Büro.«
    »Oder nach Rostock, ja, ja«, sagte Luise, die nach ihrer Ausbildung zur Kampfschwimmerin den Armeedienst quittiert und bei einer privaten Sicherheitsfirma angeheuert hatte, die sich darauf spezialisiert hatte, Sicherungskommandos an zahlungskräftige Reedereien zu vermieten. Seitdem befand sie sich mehr an Bord von Hubschraubern, die sie von einem Tanker zum nächsten brachten, als auf den Schiffen selbst. Mathilde wusste, dass Luise die Fliegerei mittlerweile nicht mehr mochte, und sagte: »Es ist kalt bei Spitzbergen.«
    »Aber es klingt romantisch. Ein Walfänger! Davon gibt es doch nur noch zwanzig oder dreißig. Ich bin gespannt, wie die dort arbeiten. Ob die die Wale wirklich an Bord ziehen und die riesigen Tiere dann mit der Hand zerhacken?«
    »Frag deinen Vater, ich will das gar nicht wissen. – Na, mit dem hast du dann ja endlich mal ein Thema, was? Ich sehe euch beide schon nächtelang über den Fischfang streiten.«
    »Walfang ist doch kein Fischfang!«
    »Wieso?«
    »Weil Wale keine Fische sind«, sagte Luise: »Das sind Säugetiere. So wie ich und du.«
    »Ach so?«
    »Aber ja«, sagte Luise und lächelte ihre Mutter an: »Geht’s dir gut?«
    »Warum fragst du?«
    »Du weißt schon, es ist Mai! Ich meine nur.«
    »Ein kalter Monat, der diesjährige Mai, findest du nicht auch?«
    »Kann ich dich wirklich alleine lassen, Mutter? Ich kann auch absagen und erst im Juni wieder arbeiten. Ich habe noch so viele Überstunden, das reicht dicke.«
    »Nein, nein, flieg du mal zu diesem

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