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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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verworfenen Ansätzen, Fragmenten und auch Abseitigem und blätterte das Zeug dem ratlosen Lektor auf, der filterlose Zigaretten rauchte und von Zeit zu Zeit unruhig wurde, weil Whisky nachgeschenkt werden mußte.
     
    Wenn Marianne hereinkam, um Kaffee zu bringen oder andere Stärkung:«Was ist denn nun schon wieder …»sagen, damit sie sieht, daß es kein Kinderspiel ist, was man hier treibt.
    Statt des Romans könnte man ja auch ein Buch über Amerika schreiben,«Highways - unruhig in unruhiger Zeit». Warum nicht? Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. So ein Buch schreibt sich ja quasi von selbst. - Der Lektor war hocherfreut über den Reisebuchplan, den man aber immer noch realisieren könne, der laufe einem ja nicht weg, und er blies den Rauch seiner Zigarette schräg gegen die Decke und dann schräg nach unten aus beiden Nasenlöchern. Einem Mann wie dem alten Hessenberg wäre ein solches Vorhaben kaum zu vermitteln, Hessenberg war ein alter Hase.
     
    Der Roman! Was war mit dem Roman? Der ungeheure Vorschuß und das Gewisper in den Gazetten? …«Karneval über Lethe». Guter Titel. Aber weshalb eigentlich nicht«… über der Lethe»? Oder«Fasching über dem Lethefluß»? - Oder alles auf Styx umpolen?
    Nein,«Karneval über Lethe»würde das Buch heißen, auch wenn keiner kapiert, was das heißen soll. Schließlich wisse ja auch kein Mensch, was der Name«Sowtschick»bedeutet.
    Der Whisky milderte die Nervosität der beiden Männer, und als Marianne dann eintrat und zu Sauerbraten mit Apfelkohl lud, -«Was ist denn nun schon wieder?»-, war der Lektor bereits ganz getrost, wenn ihm auch die Hände flogen. Auch Sowtschick war aufgeräumter Stimmung. Das mit dem Roman kriegte man schon noch hin … Bisher hatten noch alle Vorhaben zunächst einmal gestockt und dann doch wieder flottgemacht werden können.
    Eine Flugreise nach Amerika sei ja nicht ganz ungefährlich, sagte Sowtschick und seufzte, im Falle eines Falles möge der Verlag kein großes Tamtam machen. Im übrigen: Den eventuell nötig werdenden Nachruf könne ja von Dornhagen schreiben.
    Da sagte der stille, feine Verlagsmann:«Von so was wollen wir gar nicht reden …»
     
    Alexander rief dann noch die Zeitschrift Globus an, Deutsche Wochen und so weiter, ob sie nicht einen Bericht über Amerika brauchen könnten? Als Titel vielleicht:«Highways …»Er rieb sich die Hände und sagte zu Marianne:«Weißt du was? Auf diese Weise kann ich die Reise noch ausmünzen! Und später mache ich dann ein Buch daraus …»
    Und Marianne sagte:«Wie schlau du bist! Und auf was für Gedanken du kommst …»
    Der zuständige Redakteur war zurückhaltend. Amerika? Bei ihm lägen schon eine Menge Amerika-Texte auf Halde … Ob es wahr sei, daß er neulich von den«Brüdern und Schwestern im Osten»gesprochen habe und von«unserm deutschen Vaterland»? - Das hatte Alexander zwar nicht getan, aber daß er so was dachte, traute man ihm zu. Und so was fiel schwer ins Gewicht. Das verriet eine Haltung zu den Dingen, die heutzutage nicht mehr ging.
    Alexanders Angebot wurde auch deshalb abgelehnt, weil er vor Jahren mal einen Aufsatz über die Parteienlandschaft in der BRD nicht geliefert hatte, obwohl man ihn doch so herzlich darum gebeten hatte.
     
    Hessenberg, ungleich robuster als der Lektor, meldete sich und riet, auf dem Flughafen drüben keinen Mietwagen zu ordern, da gäb’s dann so Pack, das einen abmurkst, die erkennen es am Nummernschild, daß in dem Wagen ein Tourist sitzt, den sie ausnehmen können. - Im übrigen, habe er recht verstanden? Alexander müsse dort vor Übersetzern einen Vortrag halten? Könne er den nicht vielleicht etwas ausführlicher anlegen und dann mit anderen Essays zusammen zwischen zwei Buchdeckel geben? Diese Sprichwörtersache zum Beispiel, die er vor einigen Jahren beim Buchhändlerkongreß zum besten gegeben habe, die würde drüben doch sicher interessieren -«Borgen bringt Sorgen», daß das Borgen beiden Seiten Sorgen bereite, dem Schuldner natürlich, das ist ja klar, aber auch dem Gläubiger, denn der schwitzt Blut und Wasser, daß er sein Geld auch wiederkriegt! Borgen bringe Sorgen …
    Und er erinnerte an den Vorschuß, den Sowtschick für den zu schreibenden Roman erhalten hatte,«Karneval über Lethe», erst dreiundsechzig Seiten fertig? Sei er da richtig informiert? Man hatte ihn doch schon im nächsten Jahr herausbringen wollen, habe Alexander das nicht zugesagt? Müsse man denn nun das ganze

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