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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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die Frage, ob das generöse Arrangement des Verlegers auch für die Rückreise galt. Es fragte sich ferner, ob Hessenberg mit seinem Geschenk auf irgend etwas Verbindliches zielte, das es abzuarbeiten galt, irgendeine schwer abzuwehrende Sondersache? Die Sprichwörter-Angelegenheit? - Der Roman natürlich; der Roman war gemeint, diese Aufraffung zur Krönung seines gesamten Werks.«Karneval über Lethe». Feurige Kohlen sollten auf sein Haupt gesammelt werden. Riesenvorschuß eingesteckt und nichts dergleichen getan?
     
    Nun baute sich ein Steward in Golduniform vor Sowtschick auf, salutierte und sprach ihn mit Namen an! Ob’s ihm gutgeht, und ob er irgendwelche Wünsche hat? Ein Kissen vielleicht? Und er überreichte ihm ein Paar grüne Socken und ein ledernes Necessaire.
    Die Bordmusik abstellen? - Das geht leider nicht. Wieso abstellen? Wo gibt’s denn so was? Liebt er denn keine Musik? Die Musik werde von den Fluggästen sehr geschätzt.
    Nein, Sowtschick hatte sonst keine Wünsche. Er verzichtete, darauf hinzuweisen, daß er als Schriftsteller unglaublich sensibel sei und diese Art Musik eben nicht abkönne. Und er log dem Mann auch nicht vor, wie er es schon öfter getan hatte, daß er selber Musiker sei …
     
    Alexander hoffte, daß es bald losginge. Acht Stunden Flug - das war keine Kleinigkeit für einen älteren Herrn, zwar immer noch ganz gut in Schuß, abgesehen von dann und wann auftretenden diskreten Schwierigkeiten, aber acht Stunden wollten hinter sich gebracht sein. - Er nahm die Brieftasche heraus und blätterte die Banknoten durch, und er nahm sich auch eine der neuen Visitenkarten vor und ließ sie durch den Finger schnippen.«AKADEMIE»und«PEN», das würde seine Wirkung nicht verfehlen, nun doch schade, daß er aus dem Lions Club ausgetreten war.
    Das Foto aus Santa Barbara steckte er zum Führerschein, das hatte zwischen den Banknoten und Schecks nichts zu suchen.
     
    Dann durchsuchte er das SAS-Reisenecessaire, kein gestepptes Blumending, sondern echt Offenbacher Leder mit Wegwerfzahnbürste und Wegwerfrasierzeug und kleinen schmucken lindgrünen, fruchtgelben und violetten Fläschchen, auf denen in goldenen Lettern«Body Lotion»stand,«Bath Gel»und«Conditioner». Alles höchst luxuriös. Auch Pantoffeln standen neben dem Sitz, einstweilen noch hygienisch in Zellophan verpackt, ebenfalls aus Leder. Und Schlafdecken offenbar aus erstklassiger Wolle. Nachtmützen standen nicht zur Verfügung. Sowtschick räkelte sich … Er mußte an seine Friseuse denken, die ihm gelegentlich den Kopf massierte. Eine solche Massage könnte jetzt nicht schaden, dachte er. Und eine Kumme mit heißem Wasser für die Füße. Wie gern hätte er seine Füße jetzt in heißes Wasser gestellt! - Ach, wie gern!
    Wie wunderbar war es doch, wenn ihm Annette, die Friseuse, den Nacken massierte, mit beiden Daumen links und rechts!
     
    Das rege Leben und Treiben auf dem Flugplatz versetzte ihn in eine Art Trance. Er nahm nichts Einzelnes wahr, nur das geschwinde Hin und Her der kleinen Service-Fahrzeuge und das verdammt nahe Vorüberrumpeln der schweren Jets. Nun wurde von einem flinken Elektrowagen noch etwas Gepäck gebracht und zugeladen, in letzter Minute. Alexander konnte das nicht so recht verfolgen, weil die Tragfläche ihm die Sicht versperrte. Aber er meinte, einen Sarg gesehen zu haben, mit einer Plastikplane zugedeckt. Voll oder leer? Das war die Frage. Handelte es sich um eine Überführung? Eine Leiche darin in Habtachtstellung oder die Hände gefaltet, den Kopf auf einem Sägespänekissen gebettet und die toten Augen starr auf den Sargdeckel gerichtet?
     
    In der ersten Klasse, zu der Sowtschick nun ganz ordnungsgemäß gehörte, saßen nur drei Leute. Vorn ein jüngerer Mann mit Handstock, der sein linkes, offenbar steifes Bein auf den Nebensitz gelegt hatte, und rechts hinten zwei schwedische Herrn mit halber Brille, über auseinandergefaltete Pläne gebeugt. Männer der Wirtschaft, die für Wachstum und Beschäftigung sorgten. Leute, von denen also nichts Böses zu erwarten war. Mit Planungen für Werkshallen hatten sie zu tun, und sie wollten, wie Sowtschick, nicht gestört sein.
    Der junge Herr mit dem steifen Bein rauchte eine Zigarette aus einer langen Spitze, und in der Rechten hielt er ein sehr kleines Buch weit von sich weg, als sähe er in einen Spiegel. Alexander blätterte in der Bordzeitschrift: Wie man bei Druckabfall die Sauerstoffmaske anlegen soll, stand da drin.
     
    Nun öffnete

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