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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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nicht schlecht, aber eben doch letztlich ganz unmöglich.
     
    Gegen Morgen träumte er von einem Bildwerfer, mit dem er ein Foto in einen dunklen Gang hineinwarf, aber das Bild traf nirgends auf, es verlor sich im Dunkel.
     
    Heiß gebadet und frisch rasiert fuhr er mit Marianne zum Flughafen, und er sah ihre lieben Hände auf dem Steuerrad. Und als sie dann Abschied nahmen voneinander, fiel es ihm ein, daß er sie schon lange nicht mehr in seinen Armen gehalten hatte. Sie hielten sich fest umschlungen, wie junge Leute das tun, und keiner wollte den anderen lassen.
    Den Menschen, die um sie herumgingen, war es klar: Das sind zwei Eheleute, die sich noch immer von Herzen gut sind.

4
    Beim Einchecken fing man ihn ab. Er soll sich mal an die Seite stellen, wurde ihm von einer älteren Flughafenbeamtin mitgeteilt, die einen sonderbaren Hut trug. Nicht gerade barsch, aber doch mit fester Stimme.
    Das war nicht das Rechte für einen Mann mit cholerischem Temperament! Als geschnappter Emigrant stand Sowtschick an der Wand in seiner nagelneuen Mehrzweckjacke, an denen die Strippen herunterhingen, die Bordkarte in der Hand. Die Hand tastete nach der Brieftasche - gottlob wohlversorgt: herrliche Schecks und auch Bares in Mark und Dollar. Paß, Visum, alles in Ordnung. Zum letzten Mal war es ihm bei der Gefangennahme passiert, daß er so an der Wand stehen mußte. Seinen Mantel hatte man ihm damals aufgeknöpft! Und nun als ein erwachsener Dichter.
     
    Da stand er nun, und sämtliche anderen Fluggäste wurden an ihm vorübergeschleust, all die Braven mit Kind und Kegel, ordnungsgemäß und der Reihe nach. Man musterte ihn: Geschnappt? Wollt’st dich wohl wegschleichen, was? Betrügerischer Bankrott? Geldwäscher? - Kuck mal, Hannelore: Sieht ganz nach Geldwäscher aus …
    Als endlich auch der letzte an ihm vorübergetrottet war, unter dem vielfältigen Gegonge der Flughafenansagen, kam eine Flughafenoberbeamtin geschritten, den letzten Selbstverteidigungskurs mit Erfolg abolviert und heute schon zweimal geduscht: Wie er da steht an der Wand! Ihn am Ohr vom Schulhof in die Klasse ziehen? Was machen wir mit diesem da?
     
    Sie fragte ihn, ob er der Schriftsteller Alexander Sowtschick sei, geboren dann und dann? Sie könne ihm die Mitteilung machen, daß man ihn«upgegradet»habe, sein Flugschein sei zu Lasten eines Herrn Hessenberg von der Touristikklasse auf die erste Klasse umgebucht worden. Ob er das akzeptieren könne? Bei Schriftstellern weiß man ja nie so recht. Die haben’s manchmal gern primitiv! Rollkragenpullover und Loch in der Hose. Vielleicht wollte dieser Mann ja zwischen gewöhnlichem Volke sitzen und Studien treiben? Und sähe es als Zumutung an, herausgehoben zu werden aus der Masse?
     
    Erster Klasse? Nun, das war eine Frage! Der alte Hessenberg hatte das arrangiert, schau an. Für eine Überraschung war er immer gut, der alte Herr. Zu Ostern Käfer-Konfekt und zu Weihnachten regelmäßig eine Kiste Wein vom besseren? Obwohl - wie oft soll man’s noch sagen - Sowtschick keinen Wein trank, weil er ihm nicht bekam … Sitzt in seinem Büro, reibt sich die Hände und greift zum Telefonhörer:«Jetzt wollen wir dem Sowtschick mal eine Freude machen.»Und Fräulein Kowalski, die Sekretärin, freut sich mit.«An so etwas hat er bestimmt nicht gedacht.»
    Ja, ein solches Geschenk war ungewöhnlich, aber Hessenberg würde es von der Steuer absetzen können, ohne Frage. Hinsichtlich des noch zu schreibenden Romans würde es gutes Klima machen.
    Sowtschick raffte sich zusammen: So reiste man denn nun als Herr über den Atlantik, nicht dicht an dicht mit streng riechenden Globetrottern, zusammengequetscht auf schmalen Sitzen, mit Armlehnengerangel: in Reihen zu zehnt. Schreiende Kinder oder eine plattdeutsche Sippe mit Käsebroten auf dem Schoß.
     
    Sowtschick wurde in die Kabine geleitet, wie einen Kranken faßte man ihn unterm Ellbogen, damit er nicht falle - blauer Samt allüberall und vielfach verstellbare Klubsessel der größeren Sorte. Eine Stewardeß half ihm aus der Jacke: Nun war es eben doch schade, daß er den Tweedmantel nicht mitgenommen hatte. Das Wegtragen der Mehrzweckjacke mit den lotrecht herunterhängenden Strippen war ja direkt peinlich. Aufgehängt wurde sie auf einem Bügel.
     
    Alexander machte es sich in dem breiten Samtsessel der SAS-Maschine bequem. Allerlei Unterhaltungsknöpfe neben und vor sich, die sich zwar knipsen ließen, vorderhand jedoch keinen Mucks von sich gaben. Es war

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