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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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legte die Samen behutsam in ihre Beete, deckte sie zu und gab ihnen Wasser. Er hatte sich auf das Wiedersehen mit den Versuchsgärten gefreut: Hatten die Wilden alles unreif von den Zweigen gerupft, oder hatten sie begriffen und war geerntet und wieder neu gesetzt worden? Von den Inseln brachte er Pflanzen mit, am liebsten eßbare Gewächse. Das meiste davon ging an Banks' Botanische Gärten in Kew, doch einige übrige Exemplare hatte er hierherbringen lassen und sorgfältig in feuchte Erde gesetzt. Hin und wieder starb etwas ab, und sie räumte es heimlich weg, unsicher, was die Ursache für sein Eingehen war. Lag es am Klima, am Boden oder an den sich niederschlagenden Dämpfen von der Ginfabrik nebenan? Sie wußte es nicht.
    Apfel- und Holunderbaum standen neben der Waschküche. Unverwüstlich, jedes Jahr wieder.
    Seit dem Tag der Tischräumung, vor nunmehr zwei Monaten, stellte sie fest, daß sie mit zweifachem Blick auf Haus, Garten und Kinder schaute. James hatte schon im vorhinein Einzug in ihre Sichtweise gehalten. Dieser zweifache Blick kündigte Veränderungen an, sie war schon nicht mehr ganz allein. Über die Ananas würde er jauchzen. Daß sie den Holunder nicht hatte zurückschneiden lassen, würde ihn verstimmen, er würde zwar nichts sagen, um nicht die fragile Harmonie der Wiederkehr zu zerbrechen, aber er würde kurz die Augenbrauen zusammenziehen. Hinter den gefiederten Holunderblättern wohnte ein Amselpaar. Das Weibchen mit seinem dicken, fahlbraunen Leib schoß in den Garten und landete auf dem Gras. Der Vogel machte kein Gewese, tat nichts Überflüssiges, sondern pickte rasch einen Wurm aus der nassen Erde und flog geradewegs zum Nest zurück. Gezwitscher, Blättergeraschel, ein ganz leises Piepsen. Die Jungen waren geschlüpft.
    Sie blieb mit dem verklebten Topf und den Breitellern zurück, als die Jungen in die Schule gingen. Nicht zaudern, gleich Wasser pumpen, spülen, scheuern. Verbissen rieb sie das Geschirr trocken und stellte es weg. Die Teller in den Schrank, den Topf aufs Reck, die Löffel in die Schublade. Es muß nicht gleich alles saubergemacht werden, dachte sie, warum treibe ich mich so an, er ist noch lange nicht da. Ihre Schultern schmerzten von der Anspannung, und als sie sich an den Küchentisch setzte, merkte sie, daß ihr Tränen in den Augen standen.
    Zwischen Fortsein und Zurückkehren befand sich eine Zwischenregion. In der war sie jetzt. Die Küchenwände müßten geweißt, die Stühle, auf denen die Jungen immer wippten, repariert werden. Sie sollte sich ein neues Kleid schneidern lassen.
    Es klopfte. Als die Tür aufging, war sie noch in Gedanken versunken. Ein großer Mann in Kapitänsuniform stand im Schatten neben dem Herd. Sie erschrak.
    »Ich überfalle dich, verzeih!« Er streckte den Arm aus, um einige Briefe auf den Tisch zu legen. Ein goldbestickter Ärmel.
    »Hugh! Bringst du Neuigkeiten?«
    Palliser lehnte seinen Stock an einen Stuhl und setzte sich neben sie. Wie hatte sie ihn mit James verwechseln können, er hatte eine Umgänglichkeit, eine selbstverständliche Herzlichkeit, die James abging. Vor einigen Wochen hatte sie mit ihm im Garten gesessen; die Jungen waren nach Hause gekommen, und es hatte sich ein munteres Gespräch über das Leben an Bord entsponnen. Fragen und Antworten kamen Schlag auf Schlag – wie hoch die Wellen, wie groß die Fische, wie eklig das Essen.
    Sie hatte gelauscht, nicht dem, was die Kinder fragten und Palliser antwortete, sondern der Musik aus den aufgekratzten Kehlen der Jungen und dem Kontrapunkt von Pallisers tiefem Baß.
    »Prachtjungen hast du«, hatte er beim Abschied gesagt. »Du bist ihnen eine gute Mutter, aber ich hoffe, daß ihr Vater nicht zu lange fortbleibt. Den brauchen sie auch. Prachtjungen, Elizabeth.«
    Er gab ihr einen ungeöffneten Brief. Ihr Name stand in James' Handschrift auf dem Kuvert. Sie senkte den Kopf.
    »Sie sind auf dem Heimweg. James hat der Dutton am Kap der Guten Hoffnung eine Kiste mit Karten, Briefen und Logbüchern mitgegeben. Kauffahrtei, ein schnelles Schiff. Dem Brief an Stephens habe ich entnommen, daß die Resolution in gut einem Monat hiersein kann. Er hat eine unglaubliche Reise hinter sich, aber das möchte er dir natürlich selbst erzählen. Kerngesunde Besatzung, allerfeinste Karten, ein sehr interessantes Journal, ganz James. Als wäre es das Normalste von der Welt.«
    Sie schwieg. Ein Monat. Das Haus würde sich plötzlich zu klein anfühlen, als paßte es nicht. Ein

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