Letzte Reise
gegen den Skorbut hatte James Banks, der überall Löffelkraut und wilden Sellerie zu finden wußte, zur Seite gehabt. Darüber hinaus war sich Banks nicht zu fein dafür gewesen, sich neben den Matrosen an die Pumpen zu setzen, wenn Not am Mann war. Am Ende der Reise waren sie Freunde.
Zurück in London, hatten sich ihre Leben auseinanderentwickelt. Banks feierte Triumphe und zeigte Herzögen und Gräfinnen seine ausgestopften Tiere, exotischen Kleidungsstücke und Waffen. Er besuchte den König, hielt Vorträge und protestierte nicht, als man von ›Banks' Reise‹ sprach. James plagte sich mit seinen Karten und dem Schiffstagebuch, das umgeschrieben werden mußte, und wurde nicht in die Huldigungen einbezogen.
Als die zweite Reise anstand, kam Banks mit noch weiter reichenden Forderungen daher. Gut zwanzig Menschen, darunter natürlich der gutmütige Solander, aber auch zwei Hornisten, sollten an Bord der Resolution untergebracht werden, eines Schiffes, das zwar größer als die Endeavour, aber für eine solche Invasion nicht ausgelegt war. Banks zwang die Marineautoritäten, das Schiff umbauen zu lassen. Es bekam ein Stockwerk dazu, und James verlor die Kapitänskajüte an Wissenschaftler und Künstler. Bei der Probefahrt drohte das Schiff zu kentern, und ein jeder kam zur Besinnung. Die nagelneuen Aufbauten wurden wieder abgerissen, Banks bekam auf der Werft von Sheerness einen Wutausbruch und ließ sein gesamtes Hab und Gut von Bord holen. Es folgte ein unerquicklicher Briefwechsel zwischen Banks, Lord Sandwich und Hugh Palliser. James reiste mit acht Kisten gesalzenem Fisch als Abschiedsgeschenk ab, der also offenbar verdorben war, brachte es aber dennoch fertig, Banks einen versöhnlichen Brief zu schreiben. Wenn die Gefahr gebannt ist, hatte Elizabeth gedacht, während sie auf das kahle Köpfchen ihres neuen Sohnes starrte, kann er es. Sobald er weiß, daß er sich dem so hochgestellten Herrn nicht zu beugen braucht, kann er sich wieder an die Wertschätzung und die vergnüglichen Seiten erinnern.
Von James' Korrespondenzeifer beeindruckt, hatte sie dann doch das Haustagebuch angefangen. Es mußte hier irgendwo auf dem Tisch liegen, in der untersten Papierschicht. Sie beschleunigte die Aufräumarbeit und kippte ganze Stapel von Pamphleten und Zeitungen ungelesen in den Korb. Hie und da wurde die nackte Tischplatte sichtbar. Matt, schmutzig.
Sie fand ihr Tagebuch unter einem Katalog für Schiffsinstrumente. Sie hatte in ein noch unbenutztes Kassenbuch von ihrem Stiefvater geschrieben; sich wie gewohnt über ein solches Buch zu beugen würde helfen, hatte sie gedacht. Sie klappte das Buch auf, die Blätter sprangen unter ihrem Daumen weg. Lange hatte sie nicht durchgehalten, die Seiten waren bis auf einige am Anfang unberührt und weiß. Sie setzte sich und legte das Buch auf den schmutzigen Tisch.
Daß er lesen würde, was sie schrieb, hatte sie angespornt. Sie wollte doch, daß er wußte, was sich hier im Haus abspielte. Daß er die Entwicklung seiner Kinder verfolgen, sich eine Vorstellung davon machen konnte, wie das häusliche Leben aussah, wer zu Besuch kam, wenn er nicht da war. Ja, ja, ja. Aber wenn die Kinder schliefen und sie sich mit Feder und Finte an die Lampe setzte, hatte sie sich unbehaglich und gehemmt gefühlt. Es steckte ein Zwang dahinter, sie kam sich vor wie ein Schulmädchen mit einer Strafarbeit. Sie hatte gemerkt, daß sie versuchte, schöne Sätze zu schreiben und das Geschehene so darzustellen, daß sie dabei einen erwachsenen und verantwortungsbewußten Eindruck machte. Für wen strenge ich mich so an, was ängstigt mich, warum schreibe ich nicht einfach, was ich denke? Für mich selbst. Ich muß es doch niemanden lesen lassen! Die Gedanken hatten sie verwirrt.
Sie schlug das Buch auf. Daten in sauberer Handschrift.
Heute waren wir auf dem Markt. Nat hat den Korb getragen, der ziemlich schwer war: Apfel, Schwarzwurzeln und Sellerie. Wir sahen schönen Kabeljau auf dem Fischmarkt.
Öde, fade Tage, wenn man das so las. Nach einigen Seiten veränderte sich die Handschrift, wurde unregelmäßig, es tauchten Gedankenstriche und Ausrufezeichen auf, und manchmal blieb eine halbe Seite leer.
Jamie heute nachmittag um fünf zur Hebamme geschickt. Nur NICHT allein sein heute nacht! Schmerzen!! Kann kaum noch an mich halten. Die Jungen dürfen mich nicht hören, sie müssen fort. Ruhigjetzt.
Nach der Geburt einige kurze Sätze: Sehr müde, aber zufrieden. Das Kindchen sieht gesund
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