Letzte Reise
versiegelt, an James gerichtet, aber angekommen, als er bereits fort war. Und einer für sie, von Frances.
Liebe Elizabeth – ich hörte – ja, sie schreiben mir noch hin und wieder, die Damen aus der Straße, wenn es Neuigkeiten gibt –, ich hörte, daß James wieder auf Reisen mußte, mit zwei Schiffen diesmal, und daß Du, genau wie vor vier Jahren, schwanger zurückgeblieben bist! Ach, Elizabeth, könnte ich doch bei Euch sein. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie groß meine Sehnsucht ist. Versteh mich nicht falsch, es ist herrlich, verheiratet zu sein und Frau McAllister zu heißen! Es ist hier so anders als zu Hause. Weißt Du noch, wie wir an so einem stillen Morgen nach draußen gingen und Nebel über den Weiden hing und die Kühe, deren Beine vom Weiß verschluckt wurden, darauf zu schweben schienen? Wie es roch? Das ist England. Unser Haus hier ist groß und gut gebaut. Auch ist enorm viel Land darum herum, ich habe Obstbäume und einen Gemüsegarten. Es ist hier oft windig. Die Nachbarn wohnen weit entfernt. Alte Leute ohne Kinder. Alle sind hier immerzu am Bauen und Zimmern. Gestern habe ich dabei geholfen, die Sturmläden anzubringen, denn wir erwarten einen Orkan. Alles, was nicht gut befestigt ist, wird weggeblasen, der Wind wirbelt alles in die Luft, Tiere, Bäume, ganze Scheunen!
Ach, was schwatze ich, Elizabeth. Schreib mir, ob Du schon niedergekommen bist und wie es den Jungen geht. Ich bin Euch untreu geworden, als ich geheiratet habe und nach Amerika gegangen bin. Aber was blieb mir anderes übrig? Schiffe im Wind sind wir. Ich könnte heulen, und dann bin ich plötzlich wieder heiter und weiße die Küche. Ob ich schwanger bin? Ich denke viel an Dich, ob Du beunruhigt bist, ja, das bist Du natürlich. Weißt Du, daß ich einen Brief von James' Schwester bekommen habe? Honigsüß! Verstehst Du das? Oh, ich hoffe so sehr, daß diese Jahre für Dich weniger stürmisch und kummervoll sind als die, die wir gemeinsam verbracht haben! Vielleicht hast Du, wenn Du diesen Brief erhältst, schon eine gesunde Tochter bekommen. Das wäre doch am schönsten. Söhne frißt die See. Ach, was rede ich. Ich kann hier kein Personal bekommen und mache praktisch alles selbst. Nicht, daß ich das schlimm finde, es ist schön, etwas zu tun zu haben.
Ich rede um den heißen Brei herum, Elizabeth. Ich mache mir Sorgen. Ich wünsche Dir ein gesundes und starkes Kind. Sollte es anders sein, würde es mir das Herz umdrehen vor Bedauern, daß ich nicht bei Dir bin. Schreib mir bald! Küß die Jungen von mir, und sei umarmt von Deiner Freundin Frances.
Sie warf den Brief in den Korb und bückte sich tief, um ihn hochzuheben und in die Küche zu tragen. Der Herd würde bullern. Der Tisch sah aus wie ein stiller Teich.
2
Sie öffnete die Küchentür und lief barfuß in den Garten hinaus, Tau heftete sich in kleinen Tropfen an ihre Fesseln und ihren Rocksaum. Das Gras war zu hoch gewachsen, die Bäume und Sträucher prunkten fast stolz mit ihrer ungestutzten Blätterpracht. Es war früh, das Sonnenlicht fiel noch bleich durch die Zweige, windstill war es, und sie roch den Fluß, wenn sie einen Moment reglos und mit geschlossenen Augen stehenblieb. Ein weiterer Tag. Gleich würden die Jungen aufwachen, mußte Brei gekocht und Tee aufgegossen werden, würde die Küche beben vor schrillen Kinderstimmen.
Jetzt, hier, in der beinah beklemmenden Stille, war sie mit sich allein in dem Garten, den sie als ihr Haus betrachtete. Langsam machte sie einen Rundgang. Die Quitte mit ihren weißrosa Blüten, man konnte sich kaum etwas Verletzlicheres vorstellen, und doch würden sich die Blüten zu steinharten, faustgroßen Früchten auswachsen; die Stachelbeeren mit ihren niederträchtigen, nadelspitzen Stacheln, die Maulbeere und die Mispel voller Versprechen. Hier und da erhoben sich nichtheimische Gewächse, ausländische Gäste in Londoner Erde. Eine kleine Ananas auf einem Stengel, die protzigen Blätter der Bananenpflanze, eine Palme und eine Agave im wärmsten Winkel, an der Mauer. Auf einem unordentlichen, halb umgegrabenen Beet im hinteren Teil lag welkes Grün, das wie Kartoffellaub aussah, aber keines war, zwischen seltsamen dunklen Knollen in den unregelmäßigen Furchen.
James nahm Samen und Wurzelstöcke mit, wenn er auf die Reise ging. Überall, wo er den Fuß an Land setzte, hatte er kleine Kartoffelfelder angelegt und Senfsamen gesät. Möhren, Melonen und Erbsen brachte er den Eingeborenen. Er grub den Boden um,
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