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Letzte Worte

Letzte Worte

Titel: Letzte Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Witz sein? Bis aufs Mittagessen ließ sie mich den ganzen Tag allein. Ich war acht Jahre alt. Man nahm mich ihr wieder weg, als der Schulpsychologe merkte, dass ich zwei Monate lang nicht mehr im Unterricht gewesen war. « Er zog den Stöpsel aus dem Becken. » Aber sie war eine nette Dame. Ich glaube, man hat ihr irgendwann ein älteres Kind überlassen. «
    Sara stellte die Frage, bevor sie es verhindern konnte. » Warum wurden Sie nie adoptiert? Sie waren doch noch ein Kleinkind, als Sie ins System kamen. «
    Will hielt die Hand in den Wasserstrahl, um die Temperatur zu kontrollieren. Sie glaubte schon, er würde die Frage ignorieren, aber schließlich sagte er: » Anfangs hatte mein Vater das Sorgerecht für mich. Nach wenigen Monaten nahm der Staat mich ihm weg. Es gab gute Gründe dafür. « Er drückte den Stöpsel in den Abfluss, damit das Becken sich wieder füllte. » Eine Weile war ich dann im System, dann kam ein Onkel und wollte es mit mir mal probieren. Er meinte es gut. Ich hoffe, er meinte es gut. Aber im Grunde genommen war er an diesem Punkt in seinem Leben nicht in der Lage, sich um ein Kind zu kümmern. Eine Weile wechselte ich zwischen ihm und Pflegeeltern und dem Kinderheim hin und her. Schließlich gab er es auf. Zu der Zeit war ich sechs Jahre alt, und da war es zu spät. «
    Sara schaute hoch. Will starrte wieder ihr Spiegelbild an.
    » Die Sechs-Jahres-Regel kennen Sie ja, oder? Sie und Ihr Mann haben doch versucht, ein Kind zu adoptieren. Also haben Sie sicher davon gehört. «
    » Ja. « Sara hatte einen Kloß in der Kehle. Sie konnte ihn nicht anschauen. Sie trocknete eine Untertasse ein zweites Mal ab, obwohl kein Tropfen Wasser mehr darauf war. Die Sechs-Jahres-Regel. Sie hatte diesen Begriff in ihrer Kinderarztpraxis gehört, lange bevor Jeffrey je eine Adoption vorschlug. Ein Kind, das mehr als sechs Jahre im System gewesen war, wurde für eine Adoption als ungeeignet betrachtet. In dieser Zeit waren ihm schon zu viele schlimme Dinge passiert. Seine Erinnerungen waren zu fixiert, sein Verhalten zu festgefahren.
    Offensichtlich hatte vor vielen Jahren irgendjemand in Atlanta diese Warnung ebenfalls gehört. Vielleicht von einem Freund oder sogar von einem vertrauenswürdigen Hausarzt. Die Betreffenden waren ins Kinderheim gegangen, hatten den sechsjährigen Will Trent gesehen und entschieden, dass er bereits zu gestört war.
    » Klingt dieses Tagebuch für Sie wie das eines einundzwanzigjährigen Mädchens? «, fragte Will jetzt.
    Sara musste sich räuspern, bevor sie sprechen konnte. » Ich bin mir nicht sicher. Ich kannte Allison nicht. « Sie zwang sich, über seine Frage nachzudenken. » Irgendwie eigenartig finde ich es schon. «
    » Es klingt nicht wie ein Tagebuch, in dem jeder Eintrag mit ›Liebes Tagebuch‹ beginnt. « Er machte sich an den letzten Tellerstapel. » Es ist eher eine lange Liste von Klagen über Leute, Professoren, ihren Job, den Geldmangel, ihren Freund. «
    » Sie klingt ein bisschen nach Jammerlappen. «
    » Der Zweck des Jammerns ist doch, dass Leute einen hören und Mitleid haben. « Er fragte: » Klingt sie deprimiert? «
    » Da besteht kein Zweifel. Das Tagebuch zeigt deutlich, dass sie stark damit zu kämpfen hatte. Sie hatte zuvor schon einmal versucht, sich umzubringen, was auf mindestens eine depressive Episode in ihrer Vergangenheit hindeutet. «
    » Vielleicht hatte sie mit Jason und einer dritten Person eine Art Selbstmordvereinbarung? «
    » Das ist eine grässliche Art zu sterben, wenn man sich umbringen will. Tabletten wären viel einfacher. Erhängen. Von einem Gebäude springen. Außerdem denke ich, wenn sie eine Vereinbarung gehabt hätten, hätten sie es gemeinsam getan. «
    » Haben Sie bei Tommy, Allison oder Jason irgendwelche Hinweise auf Drogenkonsum gefunden? «
    » Keine äußerlichen Zeichen. Sie waren alle gesund, von durchschnittlichem oder leicht überdurchschnittlichem Gewicht. Die Blut- und Gewebeproben sind unterwegs ins Zentrallabor. In einer Woche bis zehn Tagen bekommen wir Ergebnisse. «
    » Charlie und ich spielen mit der Theorie, dass Jason mit Allisons Mord zu tun haben könnte. Wir sind ziemlich sicher, dass der Mörder ihn benutzte, um Allison zum See zu locken. « Er drehte den Wasserhahn zu und wischte sich die Hände an der Jeans ab, während er zu seinem Aktenkoffer ging. » Das da steckte in dem Tagebuch. «
    Sara nahm die Beweismitteltüte, die er ihr gab. Drinnen befand sich ein Zettel. » Das Papier kommt mir

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