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Letzte Worte

Letzte Worte

Titel: Letzte Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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er, steckte den Schlüssel ins Schloss und entriegelte die Tür. Er öffnete die Tür, und Sara sah den Grund für seine Panik. Sie ließ die Jacke fallen, und dasPillenfläschchen, das sie sich zu Hause noch schnell in die Tasche gesteckt hatte, klapperte, als es auf dem Beton auftraf.
    Tommy Braham lag auf dem Boden seiner Zelle auf der Seite, sodass die beiden ausgestreckten Arme zum Bett an der hinteren Zellenwand zeigten. Sein Kopf war merkwürdig verdreht, die Augen starrten blicklos zur Decke. Die Lippen waren geöffnet. Sara erkannte ihn jetzt wieder; der Mann, zu dem er geworden war, sah nicht viel anders aus als der kleine Junge, der er einmal gewesen war. Er hatte ihr einmal eine Löwenzahnblüte mitgebracht und war puterrot geworden, als sie ihn auf die Stirn küsste.
    Sie ging zu ihm und legte ihm die Finger an den Hals, um nach einem Puls zu tasten. Er war ganz offensichtlich geschlagen worden– die Nase war gebrochen, ein Auge dunkel verfärbt–, aber das war nicht der Grund für seinen Tod. Seine beiden Handgelenke waren aufgeschlitzt, die Wunden klafften, Fleisch und Sehnen waren der schalen Luft ausgesetzt. Auf dem Boden schien mehr Blut zu sein, als noch in seinem Körper sein konnte. Der Geruch war widerwärtig süßlich wie in einer Fleischerei.
    » Tommy « , flüsterte sie und strich ihm über die Wange. » Ich erinnere mich an dich. «
    Mit den Fingern schloss Sara ihm die Lider. Seine Haut war noch warm, beinahe heiß. Sie war zu langsam hierhergefahren. Sie hätte nicht noch auf die Toilette gehen dürfen, bevor sie das Haus verließ. Sie hätte auf Julie Smith hören sollen. Sie hätte bereit sein sollen hierherzukommen, ohne sich lange dagegen zu wehren. Sie hätte sich an diesen süßen, kleinen Jungen erinnern müssen, der ihr einmal ein Unkraut gebracht hatte, das er im hohen Gras vor der Klinik gepflückt hatte.
    Frank bückte sich und benutzte einen Stift, um einen dünnen, zylindrischen Gegenstand aus dem Blut zu ziehen.
    » Ich glaube, das ist die Mine eines Kugelschreibers. «
    » Anscheinend hat er sie benutzt, um… «
    Sara schaute sich Tommys Handgelenke noch einmal an. Blaue Striche verliefen kreuz und quer über die blasse Haut. Sie war der Coroner in Grant County gewesen, bevor sie nach Atlanta zog, und sie wusste, wie Wiederholungsverletzungen aussahen. Immer und immer wieder hatte Tommy die Metallmine über die Haut gezogen, sie tief ins Fleisch gedrückt, bis er schließlich die Ader geöffnet hatte. Und dann hatte er dasselbe am anderen Handgelenk gemacht.
    » Scheiße. « Frank schaute ihr über die Schulter.
    Sie drehte sich um. An die Wand hatte Tommy mit seinem eigenen Blut drei Wörter geschrieben: Ich war’s nicht.
    Sara schloss die Augen, wollte von alldem nichts sehen, wollte überhaupt nicht hier sein. » Wollte er widerrufen? «
    » Das wollen sie alle. « Frank zögerte und fügte dann hinzu: » Er hat ein Geständnis geschrieben. Er hatte Täterwissen über das Verbrechen. «
    Sara kannte den Begriff » Täterwissen «. So bezeichnete man Details, die nur die Polizei und der Verbrecher kennen konnten. Sie öffnete die Augen. » Ist das der Grund, warum er weinte? Wollte er sein Geständnis zurücknehmen? «
    Frank nickte knapp. » Ja, er wollte es zurücknehmen. Aber das wollen sie… «
    » Hat er nach einem Anwalt verlangt? «
    » Nein! «
    » Wie kam er an den Kuli? «
    Frank zuckte mit den Achseln, aber er war nicht dumm. Er konnte sich vorstellen, was passiert war.
    » Er war Lenas Gefangener. Hat sie ihm den Kuli gegeben? «
    » Natürlich nicht. « Frank stand auf und ging zur Zellentür. » Nicht mit Absicht. «
    Sara berührte Tommys Schulter, bevor sie aufstand. » Lena hätte ihn durchsuchen müssen, bevor sie ihn in die Zelle steckte. «
    » Er hätte ihn versteckt haben können in… «
    » Ich nehme an, sie hat ihm den Stift gegeben, damit er sein Geständnis schreiben konnte. « Sara spürte einen tiefen, dunklen Hass in ihrer Magengrube brennen. Weniger als eine Stunde war sie jetzt wieder in der Stadt, und schon steckte sie mitten in einer von Lenas gigantischen Pfuschereien. » Wie lange hat sie ihn verhört? «
    Frank schüttelte wieder den Kopf, als würde sie alles falsch verstehen. » Drei Stunden ungefähr. Nicht allzu lange. «
    Sara zeigte auf den Satz, den Tommy mit seinem eigenen Blut geschrieben hatte. » Ich war’s nicht « , las sie. » Er sagt, dass er nicht der Täter war. «
    » Sie sagen alle, dass sie es nicht waren. «

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