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Letzte Worte

Letzte Worte

Titel: Letzte Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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etwa einer halben Meile. «
    Will folgte der Richtung ihres Fingers zu der Bucht im Uferverlauf, die kleiner war, als er gedacht hatte. Vielleicht ließ aber auch die Entfernung sie so wirken. Am Ufer lagen große Felsbrocken. Er stellte sich vor, dass die Leute dort bei besserem Wetter Lagerfeuer anzündeten. Die Bucht sah aus wie eine Stelle, an der eine Familie ihr Boot für ein langes Picknick festmachte.
    » Wollen wir jetzt einfach so herumstehen? « Lena hatte die Hände tief in den Taschen vergraben, den Kopf gegen den Wind gesenkt. Will brauchte keine außerordentlichen Fähigkeiten, um zu wissen, dass sie nicht hier draußen im strömenden Regen sein wollte. Am Wasser war es so kalt, dass ihm beinahe die Zähne klapperten.
    » Wo sind gleich wieder die Straßen? «, fragte er.
    Sie warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass sie dieses Spiel nicht mehr viel länger mitspielen würde. » Dort. « Sie deutete in die Ferne. » Das ist die Feuerwehrzufahrt. Wurde seit Jahren nicht mehr benutzt. Wir haben sie abgesucht, als wir die Leiche aus dem See zogen. Da war nichts. «
    » Das ist der einzige Zugang von hier zum Lover’s Point, oder? «
    » Wie ich Ihnen auf der Karte im Revier gezeigt habe. «
    Mit Karten hatte Will noch nie gut umgehen können. » Diese Stelle da drüben. « Er deutete auf einen Bereich direkt hinter der Bucht. » Das ist die zweite Straße, die die Le ute normalerweise benutzen, um zur Bucht zu kommen, ja? «
    » Leer, wie gesagt. Wir haben sie kontrolliert, okay? Wir sind doch keine Volltrottel. Wir haben nach Autos gesucht. Wir haben nach Reifenspuren und Fußabdrücken gesucht. Wir haben beide Straßen abgesucht, und keine zeigte irgendwelche Nutzungsspuren. «
    Will versuchte, sich zu orientieren. Die Sonne schien nicht, um den Weg zu erhellen. Der Himmel war so dunkel, dass es hätte Nacht sein können und nicht später Vormittag. » Wo ist die Wohnsiedlung? «
    Sie deutete über den See. » Dort wohnt Sara. Ihre Eltern. Das da drüben « – sie deutete auf ihrer Seeseite entlang–, » dieser ganze Uferabschnitt und auch hier, wo wir stehen, gehört der State Forestry Division. «
    » Fahren die Leute mit Booten raus? «
    » Auf dem Campus ist ein Dock für die Rudermannschaften. Viele der Hausbesitzer fahren im Sommer Boot. Doch keiner ist dumm genug, bei diesem Regen da draußen zu sein. «
    » Bis auf uns. « Will bemühte sich, so fröhlich wie möglich zu klingen. » Gehen wir weiter. «
    Sie stapfte vor ihm her. Will sah, dass ihre Turnschuhe durchweicht waren. Den Laufschuhen, die er in seinem Kofferraum gefunden hatte, ging es auch nicht viel besser. An dem Morgen, als Allison gefunden wurde, war die Temperatur noch niedriger gewesen, aber in der Nacht zuvor hatte es ebenso stark geregnet wie jetzt. Es war eine gute Zeit, um jemanden umzubringen. Spuren am Ufer wurden weggewaschen. Das kalte Wasser machte eine Einschätzung, wann der Mord passiert war, so gut wie unmöglich. Wenn der 911er-Anruf nicht gewesen wäre, hatte wohl niemand gewusst, dass im See eine Leiche lag.
    Lena rutschte im Schlamm aus. Will streckte die Hand aus und fing sie auf, bevor sie ins Wasser stürzen konnte. Sie war so leicht, dass er sie fast mit einer Hand hätte hochheben können.
    » O Gott. « Sie stützte sich mit der Hand an einen Baum. Sie atmete schwer. Er erkannte, dass sie so schnell gegangen war, um ein paar Schritte Abstand zu ihm zu halten.
    » Alles okay? « , fragte er.
    Mit entschlossener Miene stieß sie sich von dem Baum ab. Will schaute auf ihre Füße, während sie sich einen Weg über die großen Wurzeln und abgebrochenen Äste auf dem Uferstreifen bahnte. Er konnte nicht wissen, ob Allison auf derselben Route zum Lover’s Point gelangt war. Sein einziges Ziel war, Lena Adams aus dem Revier, aus ihrem Element wegzuführen, damit sie mit ihm reden würde. Es regnete so heftig und der Weg war so schwierig, dass er sich überlegte, die Hürde vielleicht etwas niedriger anzusetzen. Zum Beispiel könnte er sich zum Ziel setzten, dass sie beide nicht erfroren.
    Lena war so sicher, dass Tommy Braham Allison Spooner umgebracht hatte– so sicher wie Sara, dass Tommy es nicht gewesen war. Will fühlte sich in der Mitte gefangen, und er wusste sehr wohl, dass er sich auf keinen Fall von einer der beiden Frauen in seinem Denken beeinflussen lassen durfte. Er vermutete, dass für Lena die Möglichkeit von Tommys Unschuld ein viel größeres Schuldbewusstsein mit sich brachte, als sie

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