Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Gasperlmaier blieb stehen, der Marcel aber schnappte eilig nach einem Sessel und setzte sich der Frau Doktor gegenüber hin, allzu sicher schien er nicht auf den Beinen zu sein.
Die Frau Doktor deutete auf Marcels Brust: „Hemd!“
„Ach so, ja.“ Der Angesprochene schnellte wieder in die Höhe, verschwand in seinem Ladenlokal und kehrte mit einem grauen T-Shirt über der Brust zurück, das nicht gut roch. Die Frau Doktor begann: „Herr Gaisrucker, heute Morgen ist der Herr Doktor Naglreiter tot aufgefunden worden.“ Der Marcel schoss wieder aus seinem Sessel, dass das Altpapier dahinter nur so aufstob. „Was? Ich hab damit nichts zu tun! Ich hab geschlafen, die ganze Nacht, und bevor Sie gekommen sind, haben wir …“ Die Frau Doktor winkte ab, um ihm zu bedeuten, dass keine genaue Auskunft darüber vonnöten sei, was er mit der mageren Blondine getrieben hatte. Die ganze Nacht, dachte Gasperlmaier bei sich, war wohl ein wenig übertrieben, so wie der Marcel aussah. Der sank nun wieder auf den Sessel. „Ich, ich …“ Weiter kam er nicht. „Was, ich?“, fragte die Frau Doktor, ein wenig weiter in Richtung Stuhlkante nach vor rutschend. Der Marcel zog es vor, zu schweigen und die Hände vor seinem schmierigen Lederhosentürl zu falten. „Ja?“, setzte die Frau Doktor nach, und Gasperlmaier beobachtete den Marcel und meinte ihn dabei zu ertappen, wie er der Frau Doktor unverschämt in den Ausschnitt starrte. Stumm blieb er aber weiterhin. „Ich war’s?“, setzte die Frau Doktor nach. „Gasperlmaier, die Handschellen!“
Die Frau Doktor hatte offenbar nicht vor, mit dem Bürschchen viel Federlesens zu machen. Gasperlmaier, überrascht vom Ansinnen der Frau Doktor, erschrak. Handschellen führte er gewöhnlich nicht mit sich, begann aber pflichtschuldigst in seinen Uniformtaschen zu wühlen. Das hätte er nicht tun zu brauchen, denn der Marcel begann sofort zu reden wie ein Buch. „Ich natürlich nicht, ich hab den nicht umgebracht, ich hab den gestern nicht einmal gesehen, ich war die ganze Zeit im Bierzelt, da können Sie fragen, wen Sie wollen, ich bring doch keinen um!“
Mit einer Geste versuchte die Frau Doktor den Marcel zu beschwichtigen. „Ist es richtig, dass die Frau Doktor Naglreiter bei Ihnen bereits mehrere Kurse im Gleitschirmfliegen absolviert hat?“ „Ah!“, sagte der nur – Gasperlmaier dachte sich, der Marcel meint wohl, jetzt gehe es nur mehr um seine Beziehung zu der Frau Doktor Naglreiter, nicht mehr um seine mögliche Verstrickung in einen Mordfall – und setzte wieder sein arrogant-zynisches Grinsen auf, das Gasperlmaier schon von mehreren Begegnungen kannte, auch bei ihm zu Hause, wenn sich der Marcel vor ihm verbeugt und „Schönen guten Tag, Herr Oberinspektor!“ gewünscht hatte. Gasperlmaier hatte darauf nie geantwortet. Über sich lustig machen konnte er sich selber, da brauchte er den Gaisrucker nicht dazu. Der Marcel nickte nun eifrig, und die Frau Doktor setzte nach: „Und Sie sind eine Affäre, eine sexuelle Beziehung zu ihr eingegangen?“ Der Marcel hob ratlos die Hände: „Beziehung würde ich das nicht nennen, ich hab sie halt ein paarmal g e …“ Er unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, weil er wohl gemerkt hatte, wie sich die Miene der Frau Doktor Kohlross verfinsterte. „Ich meine, wir hatten ein paarmal Sex miteinander. Ihr Alter, der Doktor Naglreiter, der hat ja die Sophie nicht mehr …“ Breiter wurde das Grinsen des Marcel. „Und die war ganz schön, die hat ganz ordentlich …“ Der Blickkontakt mit Frau Doktor Kohlross unterbrach ihn jäh.
„Haben Sie gestern irgendwann die Frau Doktor oder den Herrn Doktor Naglreiter gesehen, haben Sie mit einem von beiden oder beiden gesprochen, haben Sie telefoniert, gab es irgendeinen Kontakt zwischen Ihnen und einem der Naglreiters?“ Gasperlmaier meinte, bei Marcel ein kurzes Zögern zu bemerken, ein leichtes Flackern in den Augen, ein Ausweichen. Dieser hob abwehrend die Hände: „Ich hab’s Ihnen ja schon gesagt, ich war die ganze Zeit im Bierzelt, und die Ines“ – er wies mit dem Finger nach draußen, in die Richtung, wo seine Bekanntschaft womöglich immer noch im Bett auf die Fortsetzung der von Frau Doktor Kohlross und Gasperlmaier so unsanft unterbrochenen Beschäftigung wartete – „die war bei mir, die ganze Nacht, die können Sie fragen.“
Plötzlich waren vor dem Raum Schritte zu hören, und die eben Angesprochene stand im Türrahmen. Immer noch ein wenig zerrauft, wie
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