Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Gasperlmaier fand, aber angesichts der zur Verfügung stehenden Infrastruktur hatte sie sich ganz ordentlich hergerichtet. Gasperlmaier fiel auf, dass sie ein originales Ausseer Dirndl trug, mit rosa Rock, blauer Schürze, grünem Leib und weißer Bluse, und dass er mit der Vermutung, dass es mit ihrem Busen nicht weit her war, schon richtig gelegen war. Dazu trug sie Schuhe mit sehr hohen Absätzen, die nach Gasperlmaiers Meinung nicht recht zum Dirndl und schon gar nicht zum tiefen Boden im Bierzelt passen wollten. Entsprechend waren die Absätze auch schlammverkrustet. „Frau Kommissar!“, begann sie ein wenig schrill und atemlos, „ich bin zwar die ganze Nacht mit ihm beisammen gewesen. Aber nur deswegen, weil er sofort eingeschlafen ist in seinem Rausch, kaum dass wir hier waren, und ich mir sogar Sorgen gemacht habe, dass er nicht mehr aufwacht, so besoffen, wie er war. Und ich hab auch gehört, was er Ihnen da über eine gewisse Sophie erzählt hat. Und ich möchte Ihnen auch sagen, dass er heute Morgen eh keinen hochgekriegt hat, weil es ihm noch viel zu schlecht gegangen ist. Wo ist das Klo?“ Ansatzlos und ohne ihre Tirade zu unterbrechen, hatte sie sich Marcel zugewandt. Der deutete nur auf eine Tür gegenüber jener, in der die Ines gerade stand.
Die verschwand hinter der Tür, kurz darauf hörte man es dahinter plätschern, was Gasperlmaier gar nicht hören wollte, und er hoffte, entweder die Frau Doktor oder der Marcel würden jetzt was sagen und nicht der Erleichterung der Ines hinter der Klotür aufmerksam lauschen. Doch schon erklang die Spülung, die Ines kam wieder heraus, fragte „Waschbecken?“, worauf der Marcel nur den Kopf schütteln konnte. Schon wollte die Ines weg, sagte „Dann tschüss!“ und verschwand wieder im Ladenlokal, als die Frau Doktor aufsprang. „Warten Sie einen Moment! Gasperlmaier, passen Sie auf den hier auf!“ Und schon war sie der Ines hinterher und Gasperlmaier saß allein mit dem Marcel in dieser Ruine von einem Büro.
Gasperlmaier tat so, als interessiere er sich für die Reste von Gleitschirmplakaten und den Kalender vom vorvorigen Jahr, der über dem Computer an der Wand hing, um dem Marcel nicht ins Gesicht sehen oder mit ihm reden zu müssen. Der Marcel fing aber selber zu reden an. „Herr Oberinspektor, Sie glauben mir das aber schon, dass ich den Doktor Naglreiter nicht umgebracht habe? Wir kennen uns doch? Ich bin doch mit dem Christoph befreundet? Bitte glauben Sie mir doch!“
Gasperlmaier hatte das Gefühl, dass der Marcel gar nicht mehr zu reden aufhören würde, wenn er ihn nicht unterbrach. „Was ich glaube, Marcel, spielt gar keine Rolle. Und wenn die Frau Doktor Naglreiter wieder auftaucht …“
„Die ist gar kein Doktor“, unterbrach ihn der Marcel, „die hat bloß auf dem Standesamt promoviert, die war vorher seine Sekretärin.“
„Wenn die Frau Naglreiter also wieder auftaucht“, setzte Gasperlmaier noch einmal an, „dann …“ Er wusste nicht genau, was dann sein würde, und schon gar nicht, was dem Marcel dann passieren oder nicht passieren würde. „Man soll sich halt keine solchen Sachen anfangen!“, wich er ins Allgemeingültige aus und hob dabei resignierend beide Hände. Dass sich der Marcel hier praktisch als Freund der Familie aufführte, war dem Gasperlmaier eigentlich gar nicht recht.
Gott sei Dank kam die Frau Doktor nun zurück, ohne die Ines, und sie forderte Gasperlmaier gleich auf, mit ihr zu kommen. „Und Sie, Herr Gaisrucker, Sie kommen heute Nachmittag auf den Posten, gewaschen und ordentlich angezogen, damit wir Ihre Aussage zu Protokoll nehmen können. Und halten Sie sich zu unserer Verfügung, das heißt, teilen Sie uns mit, wann wir Sie wo finden, bis diese Untersuchung abgeschlossen ist.“ Man merkte ihr an, dass sie nicht mehr viel für den Marcel übrig hatte. Zumal er ja für die einfache Lösung, auf die die Frau Doktor vor dem Besuch bei ihm gehofft hatte, offenbar nicht zu gebrauchen war.
Als sie aus dem tristen Wohnbereich des Gaisrucker Marcel draußen waren, informierte die Frau Doktor Gasperlmaier: „Die Ines hat seine Aussagen im Großen und Ganzen bestätigt. Er war mit ihr zusammen, und sie hat uns ein paar weitere Zeugen genannt, die das bestätigen können. Sie hat auf mich einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht.“ Gasperlmaier nickte und die Frau Doktor fuhr fort: „Es ist allerdings nicht völlig auszuschließen, dass er irgendwann im Lauf der Nacht beim Gang auf das Klo
Weitere Kostenlose Bücher