Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Titel: Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
Vom Netzwerk:
kantiges, unrasiertes Gesicht zeigte er den beiden, wie man es heutzutage auch häufig in Modeschauen sehen konnte. Die Frau Doktor, so schien es Gasperlmaier, war offenbar ebenso überrascht wie beeindruckt, denn alle Barschheit schien verschwunden, als sie dem Marcel ihre Marke zeigte und höflich fragte: „Herr Gaisrucker? Können wir kurz zu Ihnen hineinkommen?“ Der Marcel lächelte und vollführte mit der rechten Hand einen Schwung, wie man ihn von Kammerdienern aus alten Filmen kannte, die Besuch bei ihrer Herrschaft vorließen. Dazu verbeugte er sich galant. Gasperlmaier fragte sich, ob das zu der täglichen Routine gehörte, mit der er sich seine Bettgenossinnen besorgte, oder ob ihm die Frau Doktor wirklich Respekt abnötigte.
    „Bitte entschuldigen Sie, dass nicht aufgeräumt ist, gnädige Frau.“
    Gasperlmaier fand das ein wenig dick aufgetragen, denn aufzuräumen hätte es in dem Raum nicht viel gegeben: Direkt hinter der mit schwarzer Folie verklebten Auslagenscheibe stand ein Doppelbett mit einem Messinggestell, in dem eine etwas zerraufte Blondine den Zipfel der Bettdecke vor ihren, wie Gasperlmaier sofort erkannte, unbeträchtlichen Busen hielt, an der Wand gegenüber stand ein Fernseher auf einer wackeligen Kommode, daneben und darunter auf dem Boden verstreut ein Haufen DVD s, hauptsächlich mit Actionfilmen, wie Gasperlmaier mit Kennerblick feststellte. Dahinter hing ein großes Transparent, das für Gleitschirme der Firma „Alpine Extreme Sky“ warb.
    „Stören wir?“, fragte die Frau Doktor, augenbrauenhebend, mit Blick auf die Dame im Bett.
    „Wir waren in der Tat gerade … beschäftigt“, meinte der Marcel, sich am Kopf kratzend. Die Blonde im Bett schien verwirrt. „Marcel, was ist denn? Wer sind die? Hast was angestellt?“
    Gasperlmaier konnte nicht umhin, festzustellen, dass die Blonde tatsächlich ein wenig desorientiert war. Hatte sie an Gasperlmaiers Uniform doch offenbar erkannt, wer er war, was ihre dritte Frage verriet, so führte sich doch damit ihre zweite Frage ad absurdum.
    „Leider kann ich Ihnen nichts zum Hinsetzen anbieten“, flötete Marcel, „außer vielleicht das Bett?“
    „Herr Gaisrucker, das erscheint mir nun doch ein wenig unpassend. Wir müssen uns mit Ihnen unterhalten, und dazu würde ich es vorziehen, wenn Sie ein Hemd anziehen würden und der … Dame“ – Gasperlmaier entging nicht, dass sie das Wort „Dame“ mit einem leicht verächtlichen Unterton anfügte – „Gelegenheit geben würden, sich anzuziehen. Auch an sie hätten wir nämlich ein paar Fragen. Aber zuerst unter vier“ – sie wandte ihren Blick Gasperlmaier zu und korrigierte sich – „sechs Augen.“
    Gasperlmaier war nicht entgangen, dass die Frau Doktor, die beim Anblick des Marcel ein wenig eingeknickt zu sein schien, zu ihrer gewohnten Schärfe zurückgefunden hatte. Sehr lang wirkte der Schmäh des Gaisrucker Marcel bei einer Frau wie ihr wohl nicht. „Wir könnten vielleicht oben …?“, begann die Frau Doktor fragend, aber der Marcel winkte gleich ab: „Nicht bei meiner Mutter, nein, ich habe da noch …“ Ohne den Satz zu vollenden, bedeutete er den beiden, ihm durch die einzige Tür im Ladenlokal zu folgen, die nach hinten führte. In einem schmalen, finsteren Gang öffnete er eine Tür zu seiner Linken. „… ein Büro!“ Stolz deutete er durch die Türöffnung. Als Gasperlmaier hinter der Frau Doktor eintrat, fand er sich in einem Chaos aus Aktenordnern, halb eingestürzten Regalen, Altpapier und mehreren Stühlen wieder, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Auf einem wackeligen Tisch aus Metallbeinen unter einer Hartfaserplatte stand ein PC, daneben ein altertümlicher Röhrenbildschirm nebst einem überquellenden Aschenbecher. Gasperlmaier wunderte es nicht, dass die geschäftlichen Aktivitäten des Gaisrucker Marcel zu einem ebenso schnellen wie gründ-lichen Ende gelangt waren.
    Grinsend bot Marcel den beiden Sitzgelegenheiten an, denen man sich, wie Gasperlmaier vermutete, nur mit allergrößter Umsicht anvertrauen durfte. Die Frau Doktor Kohlross hingegen stürzte, den Atem anhaltend, zum Fenster und öffnete es weit. Erst dann holte sie wieder tief Luft. Gasperlmaier bewunderte erneut, was mit ihrem Ausschnitt und ihren Brüsten dabei geschah. Der Marcel, bemerkte er aus einem Augenwinkel, übrigens auch.
    Vorsichtig ließ sich Frau Doktor Kohlross auf dem Stuhl nieder, den Gasperlmaier für den hielt, der noch am meisten Vertrauen verdiente.

Weitere Kostenlose Bücher