Letzter Weg
war gut so.
Aber dann kam der verdammte Mond hinter den Wolken hervor, und das war der Augenblick, da Greg das Messer rot-schwarz glitzern sah. Doch das war gar nicht so schlimm; das konnte er besser ertragen als das Geräusch pulverisierter Knochen. Nur war das noch nicht alles, was er sah – er wünschte, es wäre anders, wünschte es mit jeder Faser seiner Seele, jedem Molekül seines Leibes.
Er sah das Gesicht.
Das Gesicht des Killers.
Aber es war nicht wirklich ein Gesicht – jedenfalls keines, das man erkennen oder beschreiben konnte –, denn es war rot-schwarz wie die Messerklinge und funkelte ebenso im Mondlicht. Greg hatte denEindruck, es wäre aus Blut gemacht, so viel Blut, dass er die Augen zusammenkniff, um das Bild auszusperren.
Dann hörte er ein anderes, allerletztes Geräusch, lauter noch als das Meer.
Das Schreien.
Das schreckliche, bösartige, wahnsinnige Schreien, das Greg das Blut in den Adern gefrieren ließ – das Blut, das Gott sei Dank noch fest unter seiner Haut verschlossen war.
Und er wachte auf.
Um zwei Uhr Freitagnacht, in der Sicherheit seines Schlafzimmers, in seinem hübschen, sicheren Haus an der North Bay Road in Sunny Island Beach, erwachte Greg Hoffman schwitzend und schreiend aus seinem Traum. Er zitterte am ganzen Körper und war ängstlicher, panischer, als er es je in seinem vierzehn Jahre währenden Leben gewesen war.
Aber dieser Traum war nicht wie die meisten Albträume gewesen, wo die Welt stets besser aussah, sobald man aufwachte und darüber hinwegkam. Dieser Albtraum war schlimmer, viel, viel schlimmer, denn Greg wusste, warum er das geträumt hatte, wusste genau, warum er solche Angst hatte.
Weil er den Killer mit dem blutverschmierten Kopf gesehen hatte.
Weil er den Killer gesehen hatte – und der Killer ihn.
Und weil er es niemandem sagen konnte: nicht seiner Mom, nicht seinem Dad und auch nicht den Cops. Er durfte es nicht sagen wegen dem, was er getan hatte, bevor es geschehen war. Sonst schickten sie ihn wieder in die Entzugsklinik, und Greg wusste, das würde er nicht ertragen. Er erinnerte sich noch viel zu gut an das letzte Mal, und es war wirklich schlimm gewesen. Niemals würde er das wieder ertragen können.
Deshalb wusste er jetzt nicht, was er tun sollte.
Außer immer wieder davon zu träumen.
Und darauf zu warten, dass der Killer ihn holen kam.
7.
Drei Uhr morgens.
Das war eine ruhige Zeit in Surfside, einer netten, friedlichen Gemeinde, die vorwiegend von jungen, berufstätigen Familien und Rentnern bewohnt wurde. Die meisten von ihnen schliefen jetzt. Es gab auch Besucher hier, die sich angesichts des Ferienendes mit ihren Kindern auf die Heimreise vorbereiteten.
Es herrschte nicht allzu viel Verkehr bei Collins.
Ein ohnehin schon langsam fahrender Wagen bremste nahe der 88th Street auf Schritttempo ab.
Der Fahrer schaute in eine Seitenstraße hinein, die zum Strand führte.
Zum Tatort des Muller-Mordes.
Er dachte darüber nach, rechts abzubiegen.
Als er einen weiteren Wagen in der Seitenstraße sah, schaltete er die Scheinwerfer aus. Eine Frau saß auf dem Fahrersitz. Eine Straßenlampe erhellte ihr Gesicht. Ein junge, hübsche Frau vermutlich spanischer Abstammung.
Vielleicht beobachtete sie. Oder sie wartete auf jemanden.
Vielleicht auf einen Cop, dachte der Fahrer.
Und fuhr rasch nach Norden davon.
8.
Kurz nach Mittag war Kez Flanagan mit ein paar Mannschaftskameraden, die allesamt auch während der Ferien die Einrichtungen der Uni benutzten, in der Cafeteria der Trent University und schälte eine Orange.
Ihr Blick war auf Cathy Robbins Becket gerichtet, die am Tresen in der Schlange stand, um sich einen Salat zu kaufen.
Cathy drehte sich um, sah Kez und lächelte.
Kez hob die Hand mit den lackierten Nägeln und erwiderte das Lächeln.
»Kennst du die?«, fragte Jackie Lomax.
Kez nickte.
»Und kennst du auch ihre Vergangenheit?«, hakte Jackie nach.
»Sicher«, antwortete Kez.
»Das arme Kind«, sagte Jackie.
»Ein bisschen verrückt ist sie schon«, bemerkte Nita North.
»An Cathy ist gar nichts Verrücktes«, sagte Kez in scharfem Ton.
Sie schaute wieder zu der Warteschlange, sah, dass Cathy verschwunden war, und empfand etwas, das sie überraschte.
Leere.
9.
Als Judy noch bei ihnen gewesen war, waren sie alle freitagabends ins Haus der Beckets an der Golden Beach gekommen, wann immer es ihnen möglich gewesen war – zu dem alten Haus, das so gemütlich war wie alte Pantoffeln.
Heutzutage kamen
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