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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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wollte es nicht gelingen. Vielleicht glichen kleine Kinder in dieser Hinsicht den Pferden, die augenblicklich spürten und störrisch reagierten, wenn ein Mensch mit ihnen umging, der nichts von Pferden verstand.
    Was tun ? Mary sagte, sie habe ihn gestillt, also konnte er nicht hungrig sein. Der Eisenofen verbreitete eine wohlige Wärme, frieren konnte der Kleine auch nicht.
    Die Zeit verstrich im Schneckentempo. Jesse kam sich unendlich hilflos vor, allein mit einem schreienden Baby, das durch nichts zu beruhigen war. Er war der Situation hilflos ausgeliefert und wusste sich keinen Rat.
    Zum Teufel mit Mary. Wie konnte sie ihn mit dem Kind allein lassen? Was war, wenn jemand aus Seenot gerettet werden musste? Sie schien sich gar nicht überlegt zu haben, welchem Risiko sie ihr Kind aussetzte.
    Sie wusste doch, dass er keinerlei Erfahrung mit kleinen Kindern hatte. Was steckte dahinter? Wollte sie ihm damit so etwas wie eine Prüfung auferlegen? Wenn sie glaubte, ihn mit dem Baby allein zu lassen würde seine Zuneigung zu Davy wecken, so irrte sie sich gewaltig. Wenn überhaupt, so wusste er jetzt mit absoluter Bestimmtheit, dass er nicht zum Vater taugte, schon gar nicht zum Vater eines Kindes, das er nicht gezeugt hatte.
    Finster blickte er auf das strampelnde Baby, das er in beiden Händen mit gestreckten Armen von sich hielt. Davys verzerrtes, rot angelaufenes Gesicht war ein beängstigender Anblick.
    „Was habe ich dir nur getan, kleiner Mann? Warum bist du so unglücklich?" Jesse brach der Schweiß aus.
    Das Baby holte keuchend Luft und brüllte so laut, dass sein kleiner Körper geschüttelt wurde. Jesse zog die Schultern hoch. Es gab wohl nichts Herzzerreißenderes als ein schreiendes Baby. „Hör endlich auf", bettelte er und wusste, dass er keinen Erfolg haben würde. „Bitte, hör endlich auf. Sei still. Verdammt, ich weiß doch nicht, was ich mit dir anfangen soll."
    Ein paar Jahre zuvor hatte Dr. MacEwan ein kleines Kind mit schweren Blutergüssen am Kopf behandelt. Fiona hatte angedeutet, der eigene Vater habe es vermutlich misshandelt, weil ihm durch das Geschrei des Kindes die Nerven durchgegangen seien.
    Jesse war zwar am Ende seiner Nervenkraft, würde sich aber niemals hinreißen lassen, ein wehrloses Kind zu schlagen.
    Singen. Mary sang dem Baby manchmal etwas vor, um es zu beruhigen. Aber Jesse fiel kein Kinderlied ein.
    Er ging auf und ab, hielt den schreienden, wütend strampelnden Davy mit gestreckten Armen von sich und überlegte fieberhaft. Irgendein Lied ...
    „Ah, jetzt fällt mir was ein, ein Lied aus meiner Studentenzeit. Manche Leute behaupten zwar, meine Sangeskunst sei eine Beleidigung für jedes Ohr, aber vielleicht habe ich Glück. Also hör zu!" Jesse begann zu singen, ziemlich falsch und laut, um das Geplärr des Kindes zu übertönen.
     
    „ Es war ein König in Thüle, gar treu bis an das Grab, dem sterbend seine Buhle einen goldnen Becher gab.
    Es ging ihm nichts darüber, er leert ihn jeden Schmaus. Die Augen gingen ihm über, so oft er trank daraus ..."
     
    Das Baby verstummte, wackelte mit dem Kopf, seine Augen wurden groß, und sein Mund formte ein rundes O. Jesse wusste nicht, ob er Entsetzen oder Erstaunen im Gesicht des Säuglings las, und hörte auf zu singen.
    Das Geschrei setzte augenblicklich wieder ein. Jesse sang weiter.
     
    Er saß beim Königsmahle,
    die Ritter um ihn her,
    auf hohem Vätersaale,
    dort auf dem Schloss am Meer..."
     
    Er begleitete seinen Gesang mit ein paar hopsenden Tanzschritten. Das Baby schwieg und sah ihn groß an. Wieder wackelte das Köpfchen hin und her. Davy ist wohl noch zu schwach, um den Kopf gerade zu halten, überlegte Jesse besorgt und bettete das Kind in seine Armbeuge. Offenbar behagte es dem Kleinen aber nicht, auf dem Rücken zu liegen, denn er fing wieder an zu krähen. Jesse legte ihn sich an die Brust und stützte das Köpfchen mit der gewölbten Hand.
    Wie zart so ein Kind sich anfühlte. Jesse erinnerte sich, wie er einmal als kleiner Junge eine junge Katze beinahe ehrfürchtig im Arm gehalten hatte. Das Baby fühlte sich genauso winzig und zart an.
    Und, oh Wunder, oh Wunder, es blieb still.
    Jesse begann das Trinklied noch einmal zu singen, leiser diesmal, und ließ die Melodie summend verklingen. Das Baby schien zufrieden, blieb ruhig liegen, die Wange an Jesses Brust geschmiegt, die kleinen Fäuste in sein Hemd gekrallt.
    „Aber ich frage mich", begann er wieder im kindlichen Singsang, „was deine Mutter

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