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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie stets als zwölfjährige Göre mit aufgeschürften Knien und Kletten im zerzausten Haar gesehen.
    Nun war sie eine Dame geworden, schlank und elegant in Samt und Seide gehüllt. Sie senkte den Blick auf ihre feinen Glacehandschuhe und rang die zitternden Hände. „Ich weiß, dass dich die Geschicke des Unternehmens nicht mehr interessieren, aber ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll."
    „Weswegen?"
    „In einer unangenehmen Sache, die ich vor kurzem entdeckte." Sie schluckte schwer. „Ich wollte mir in Grangers Arbeitszimmer etwas holen und sah zufällig ein aufgeschlagenes Kontenbuch auf seinem Schreibtisch liegen. Ich dachte mir nichts dabei - er sagte ja immer, ich hätte keinen Geschäftssinn. Aber irgendetwas machte mich stutzig, und ich warf einen Blick darauf."
    „Du und keinen Geschäftssinn?" Jesse lachte. „Ausgerechnet du? Schon als Sechsjährige hast du von mir Zinsen verlangt, wenn ich mir Taschengeld von dir geborgt habe. Und ein paar Jahre später hast du Pläne geschmiedet, eine Expedition zu den Sandwich Islands auszurüsten, wenn du mit der Schule fertig bist."
    „Ach ja, von alldem weiß Granger nichts."
    Jesse wunderte sich, warum einem Mann das wahre Wesen seiner Frau in all den Ehejahren verborgen geblieben war. „Was hast du in diesem Kontenbuch entdeckt?"
    „Ich musste nur einen kurzen Blick auf die Zahlen werfen, um zu erkennen, was sie bedeuteten." Ihre Stimme klang belegt. „Granger veruntreut Gelder des Unternehmens - seit einigen Jahren."
    Seltsamerweise ließ Jesse diese ungeheuerliche Anschuldigung völlig kalt, obwohl er früher einmal alles darangesetzt hatte, die Firma in ein Schifffahrtsunternehmen von Weltruf zu erweitern. Doch das war in einem anderen Leben gewesen, es interessierte ihn nicht mehr.
    „Stelle ihn zur Rede", sagte er ungerührt. „Wenn du willst, tu ich es für dich. Er muss die Sache in Ordnung bringen, Schadenersatz leisten und die Direktoren davon in Kenntnis setzen."
    Sie biss sich auf die Lippe. „Ich fürchte, dazu sehe ich mich nicht in der Lage."
    „Was hat er mit dem Geld gemacht?"
    „Er hat es von der Bank abgehoben. Ich fand einen Koffer voller Geldscheine im Speicher. Er ... hortet das Geld, Jesse. Ich habe keine Ahnung, warum."
    Um einer anderen Frau das Kind wegzunehmen f Um ein neues Leben zu beginnen?
    „Wir müssen ihn zur Rede stellen", wiederholte Jesse grimmig.
    Annabelle ließ den Kopf hängen und wandte sich ab. „Er ist fort. Verschwunden. Und das Geld ist ebenfalls verschwunden." Wieder nestelte sie nervös an den Bändern ihres Retiküls. „Anfangs versuchte ich, die Sache zu vertuschen, und sagte unseren Freunden und Bekannten, er befinde sich auf einer längeren Geschäftsreise. Doch dann flatterten Mahnungen ins Haus, und schließlich klopften Geldeintreiber an unsere Tür."
    Sie lehnte sich Halt suchend an eine Stuhllehne, wirkte plötzlich verhärmt wie eine alte Frau. „Er ist völlig verschuldet, und ich weiß nicht, wovon ich diese Schulden begleichen soll. Ich habe meinen Schmuck verkauft und die Dienerschaft entlassen. Aber immer noch kommen Mahnungen, nichts als Mahnungen." Sie seufzte.
    „Hast du eine Ahnung, wo er sich aufhält?"
    Sie schüttelte ratlos den Kopf. „Möglicherweise ist er in San Francisco. Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur eines: Er hat ein Doppelleben geführt."
    „Ein Doppelleben?" Jesse machte sich auf eine Enthüllung gefasst.
    „Er hat Frauen ausgehalten, von denen ich nichts wusste und ...oh nein!" Sie presste die Faust gegen den Mund und wurde von einem trockenen Schluchzen geschüttelt.
    Die Vergangenheit hatte ihn eingeholt. Er durfte jetzt nicht länger in der Abgeschiedenheit leben, als existiere der Rest der Welt nicht.
    Annabelle blickte mit tränenfeuchten Augen zu ihm auf. „Früher habe ich dich bedauert, weil du hier oben in der Wildnis völlig allein lebtest. Aber nun hast du Mary und einen kleinen Sohn, und damit besitzt du mehr als ich."
    „Annabelle", sagte er leise. „Ist es so schlimm?"
    Sie lachte bitter. „Ja, denk nur. Ich hatte alles, was man sich wünschen kann. Einen großen Bekanntenkreis, reizende Freundinnen, ein schönes Haus und elegante Kleider. Und wo sind alle meine Freunde? Sie haben mir den Rücken gekehrt, als sich meine Notlage nicht länger verbergen ließ." Ein Beben durchlief sie. „Ich fürchtete, dich einsam und verbittert vorzufinden. Aber du hast eine schöne Frau und einen gesunden, entzückenden Sohn. Du kannst dich

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