Level 6 - Unsterbliche Liebe
hinterher. Sowie ich ihn anschaute, wurde mir klar, dass wir uns besser beeilten. Uns blieb nicht viel Zeit, bis wir rausgeschmissen werden würden. Die Sicherheitsbestimmungen waren längst nicht mehr so streng wie früher, allerdings waren zerrissene, verdreckte und blutige Klamotten nicht gerade normal und wurden nicht gern gesehen. Glücklicherweise wusste ich, wo es langging.
Zum Food-Court. Mein Freund Oliver hing dort oft ab. Wenn er nicht dort war, dann war er an seinem anderen Lieblingsort anzutreffen – einem Keller in der Stadt, wohin er manchmal tagelang verschwand, um mit anderen Computerfreaks Network-Games, also Computerspiele über ein Netzwerk, zu spielen. Den Begriff „Computerfreaks“ meinte ich nett.
Tatsächlich stieß ich einen winzigen erleichterten Aufschrei aus, sobald ich ihn an seinem Stammplatz entdeckte. Er tippte etwas in seinen Laptop. Vor ihm stand ein extragroßes Glas mit Wasser. Im gesamten Speisebereich waren noch etwa zehn andere Leute, die verstreut an verschiedenen Tischen saßen. Mitten im Food-Court an der Decke befand sich eine große Uhr. Das Uhrenglas war vor Monaten zerbrochen, aber bisher noch nicht repariert worden. Die Uhr funktionierte allerdings immer noch. Es war kurz nach fünf.
Ich schritt auf Oliver zu und baute mich vor ihm auf. Er blickte nicht sofort von seinem Monitor auf.
„Oliver“, sprach ich ihn an.
Endlich sah er mich an, und seine Augen weiteten sich. „Kira. Hey. Ich habe schon überall nach dir gesucht. Du warst gestern plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.“
Gestern? Wie lange war ich bewusstlos gewesen, ehe ich in dem Raum aufgewacht war? Wie lange war ich bewusstlos gewesen, ehe dieses Level begonnen hatte?
Unsicher stieß ich die Luft aus. „Ich brauche deine Hilfe. Dringend.“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Scheint so, als würdest du es ernst meinen.“
„Du hast ja keine Ahnung.“
„Steckst du irgendwie in Schwierigkeiten?“
Rogans Hand schloss sich um meinen Arm. „Kira, das ist keine gute Idee.“
Olivers Blick wanderte zu ihm, und wieder wurden seine Augen groß. „Dein neuer Freund?“
Ich schaute zu Rogan und dann wieder zu Oliver. Verglichen mit dem kleineren, schlankeren Jungen brachte Rogan ungefähr fünfzig Pfund mehr an Muskelmasse auf die Waage.
„Äh, das ist Rogan Ellis“, sagte ich. „Wir brauchen deine Hilfe.“
„Rogan Ellis …“ Olivers Augen wurden noch ein Stückchen größer, sowie er den Namen vernahm. Offenbar war ich die Einzige, die vorher nichts von Rogans Verbrechen mitbekommen hatte. „Kira, hast du einen Schimmer, wer der Kerl ist?“
„Ja, aber du musst mir zuhören …“ Ich verstummte allmählich. Plötzlich spürte ich etwas. Das seltsame Gefühl, dass wir beobachtet wurden.
Ich schaute über die Schulter und war mir sicher, dass ich die silberne Digitalkamera hinter der nächsten Ecke hatte verschwinden sehen.
„Wir können deinen Freund nicht in das alles hineinziehen“, flüsterte Rogan gerade so laut, dass ich ihn verstehen konnte. „Es sei denn, du möchtest, dass er vielleicht getötet wird.“
Olivers Fingerknöchel wurden weiß, als er die Tischkante umklammerte. „Passmal auf, ich habe keine Ahnung, was los ist, Kira, doch wenn du meine Hilfe benötigst, weißt du ja, dass ich alles für dich tun würde. Aber den da …“ Angst schwang in seiner Stimme mit. „Ich will ihn nicht in meiner Nähe haben.“
Oliver war verknallt in mich. Glücklicherweise hatte er nie etwas in dieser Richtung unternommen, dennoch waren diese Gefühle immer da, nicht zu leugnen und stets zwischen uns. Und ich musste zugeben, dass es mir schmeichelte. Es war schön, begehrt zu werden. Ich baute auf seine Verliebtheit, um ihn dazu zu überreden, uns zu helfen. Mir zu helfen. Allerdings war das Letzte, was ich wollte, ihn in Gefahr zu bringen.
Und das tat ich schon, indem ich überhaupt mit ihm sprach.
Verdammt. Rogan hatte recht.
„Wohin willst du?“ Er klappte seinen Laptop zu und erhob sich von seinem Stuhl am Tisch.
„Weißt du was?“ Ich schluckte und schüttelte den Kopf. „Vergiss es.“
Er trat einen Schritt auf mich zu. „Kira, du wirkst echt angespannt. Erzähl mir doch, was los ist.“
Ich wich zurück und spürte Rogan hinter mir. „Es war ein Fehler, hieraufzutauchen.“
Mit einer Mischung aus Angst und Hass beäugte er Rogan. „Liegt es an ihm? Zwingt er dich dazu, irgendetwas zu machen, was du nicht willst?“
„Was ich tue, geht dich nichts
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