Level 6 - Unsterbliche Liebe
Erinnerungen hindurch ins Gedächtnis zu rufen. „Der Steuerberater.“
Er nickte. „Schau mal.“
Ich schaute dorthin, wohin er zeigte, und entdeckte den Mann, den ich kurz zuvor auf dem Holoscreen gesehen hatte. Bernard Jones. Ich erkannte sein schütteres Haar und seine freundlichen, ein bisschen langweiligen Züge wieder. Er kam gerade mit einer Tüte mit Einkäufen aus einem Elektronikgeschäft. Dann wandte er sich nach links und ging auf denselben Ausgang zu, den auch wir nehmen wollten.
Ich hörte das Surren, sowie die Kamera hinter uns auftauchte. Sie suchte Deckung hinter Ecken und Gegenständen, damit die anderen Menschen sie nicht bemerkten.
Rogans Aufmerksamkeit war auf den Mann gerichtet. „Wir müssen ihm folgen.“
„Er hat eine Ehefrau. Und ein Kind.“
„Ja, du hast recht. Und wir können ihn nicht entwischen lassen.“
„ Für dieses Level von Countdown verbleiben noch zehn Minuten. “
Ich drehte mich um und erwiderte Rogans Blick.
„Dir ist bewusst, was wir machen sollen“, sagte er und presste die Lippen aufeinander. „Und wir haben nur noch zehn Minuten, um es zu erledigen.“
Um Level drei des Spiels erfolgreich zu beenden, wird von euch verlangt, ihn umzubringen, hallten Jonathans Anweisungen in meinem Kopf wider.
„Nein. So weit wird es nicht kommen“, erwiderte ich.
„Willst du, dass wir sterben?“
Ich blinzelte ihn an, während sich mein Magen schmerzhaft zusammenzog. „Ich möchte nicht, dass wir sterben. Doch ich will auch keinen Mann töten, den ich noch nie zuvor getroffen habe. Jemanden, der es nicht verdient hat und der es auch nicht kommen sieht. Auf gar keinen Fall.“
„Los jetzt.“ Er griff meine Hand und zerrte mich hinter sich her. „Wir dürfen ihn nicht abhauen lassen.“
„Du kannst ihn nicht einfach töten.“
„Entweder stirbt er oder wir.“
„Es ist mir egal.“
„Wir werden sehen, ob du in ein paar Minuten immer noch so denkst.“
„Ich bin nicht fähig, einem Menschen das Leben zu nehmen. Ich bin anders als du.“
Rogan ließ meine Hand los, lief jedoch weiter. Er schaute mich nicht an. „Dir ist überhaupt nicht klar, zu was ich fähig bin. Du kennst mich nicht.“
„Ich will einen kranken Mistkerl wie dich überhaupt nicht kennen.“ Ich biss mir auf die Zunge, damit ich noch mehr sagte. Das hatte barscher geklungen, als ich beabsichtigt hatte.
Das brachte mir einen scharfen Blick ein. „Uns gehen die Alternativen aus. Kriegst du das in deinen Schädel? Da sind keine Alternativen mehr. Entweder wir machen, was sie uns befehlen, oder wir werden getötet.“
„Vielleicht ist es mir egal. Meine Familie ist ermordet worden. Ich würde das einem anderen Menschen niemals antun. Lieber sterbe ich.“
„Ich bin nicht in der Stimmung, um mit dir zu streiten, Kira. Wir haben keine Zeit dazu.“
Ich beobachtete, wie Bernard Jones das Einkaufszentrum durch die Schwingtür verließ.
„Also willst du ihm folgen. Und dann?“
„Und dann werde ich ihn umbringen.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Aber ich bin ja auch ein kranker mordender Mistkerl, stimmt’s?“
„So leicht ist das für dich?“
Er ballte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten. „Du verhältst dich so, als bliebe mir eine Wahl.“
„Man hat immer die Wahl.“
„Ich nicht“, erwiderte er. „Nicht mehr.“
Und damit stapfte er hinaus und folgte seinem Opfer. Ich rannte los, um ihn einzuholen.
Töten oder getötet werden.
Es musste eine andere Lösung geben. Und ich musste sie finden. Schnell.
6. KAPITEL
Bernard Jones schlenderte den Bürgersteig vor der Mall entlang und war sich der Tatsache, dass er verfolgt wurde, überhaupt nicht bewusst.
„Wohin ist die Kamera verschwunden?“ Ich schaute mich in der grauen, trostlosen Gegend um und bemerkte, dass wir wieder allein waren.
„Sie ist garantiert ganz in der Nähe.“
„Du scheinst genau zu wissen, wie dieses Spiel funktioniert.“
Er zog eine dunkle Braue hoch. „Tue ich das?“
Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Ja. Das tust du. Wer bist du, Rogan? Wer bist du wirklich?“
„Ich bin niemand.“ Fast unmerklich zuckte er zusammen und wandte den Blick von mir ab. Aber der Schmerz, der mit einem Mal in seinen Augen gestanden hatte, war mir nicht entgangen. „Du bildest dir da was ein.“
War das ein Moment von Verletzlichkeit? Es reichte, damit ich wieder unsicher wurde. „Ich … Ich bilde mir gar nichts ein. Ich schwöre, dass ich deine wahre Geschichte herausfinden
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