Level X
anch m al et was als undenkbar zurückwei se n, hei ß t d a s in W ahrheit nur, dass wir an nichts anderes m ehr denken können. Und wenn wir eine mögliche Vorgehensweise a l s völlig indiskuta b el bezeich n en, heißt d as eigentlich, da ss wir uns bereits für sie entschieden haben – es uns selbst gegenüber aber nur noch nicht eingestehen wollen.
Den Vorschlag, an einem Wochenende z u m Fischen hinauszufahren – »nur wir beide« –, hatte H arold sehr zaghaft gemacht. Er ver m ied Phrasen wie: »Das wird dir gut tun und dich ablenken« – wie ich es bei seiner für einen Rechtsanwalt typischen taktvollen Art nicht anders erwartet hätte. Nachdem ich m i ch vergewissert h atte, d a s s Charlie ohne Proble m e für ein paar Tage bei Peggy bleiben konnte – in der Tat hielt ich es für besser, wenn er langsam unabhängiger von m i r wurde –, fuhren wir dann eines Sa m stag m orgens zu Harolds einsam gelegener Hütte am See, w i e wir es so oft in der Vergange n heit g etan hatten.
W i r ruderten in seinem Boot hinaus und fingen frische Forellen. Viel geredet wurde nicht, aber das hatten wir an diesen W o c henenden nie getan. W i r spr a chen m it e inander, wenn wir etwas zu sagen hatten, aber in unserer Freundschaft galt Konversation nicht als höfliche Verpflichtung. Später nahm Harold dann den Fisch aus und kochte ihn, während ich e i nkaufen fuhr, um unsere Vorräte an Bourbon, Wein und Bier aufzufüllen.
Gegen zehn Uhr an di esem Abend hatte ich, bil d lich gesprochen, jeden Sc h m erz in m i r abgetöt e t. Mein Zorn jedoch war, und das im wörtlichen Sinne, absolut unerträglich geworden.
»Harold«, fing ich an und beendete da m it ein langes Schweigen, das nur vom gelegentlichen G urgeln des Bourbons durchbrochen worden w ar, wenn w i r unsere schweren Gläser n ac h f üllten, »ich m uss dich etwas fragen.« Ich hielt inne, um m einen Worten m ehr Gewicht zu verleihen, und m usterte ihn m it gerunzelter Stirn. »Ich weiß Bescheid.«
Er sah m i ch völlig ver s tändnislos an. » W orüber? « , fragte er. Seine A ugen waren groß, sein Blick vom Alkohol trübe. Ein B ild triefäugiger Unschuld.
»Über dich und Anne. Ich weiß alles.«
»Mich und …? Ich weiß nicht, was du m einst … Ich habe nicht die leiseste A hnung, worauf du …«
Ich spürte, wie m e i n Kopf l eicht auf m einen vorgebeugten Schultern hin und her schwankte. Ich hatte die Ellbogen auf den Tisch g e stützt und fixierte Harold nach wie vor m it bohrendem Blick. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich a b lesen, dass er sehr wohl wusste, wovon ich redete.
Sein Mund bewegte sich, ohne dass er ein W ort hervorbrachte, als hätte er Mühe, den ungeheuerlichen Gedanken auszusprechen.
»Du m achst … du m achst Scherze!«
»Ich will k eine g r oße Sache dara u s m achen. Ich werd dich nicht u m bringen oder so was. Ich werd dir nicht ein m al Vorwürfe m a c hen. Soweit ich weiß, tri ff t sie genauso viel Schuld – f a lls ›S c huld‹ das richtige Wort ist. Ich will nur, dass du es zugibst. Du selbst. I ch muss es aus deinem Munde hören, Harold. Das schuldest du m i r.«
»Rick, ich … ich …« Er setzte sich zurück, sein Gesicht war aschfahl, und er sank in sich zusam m en, als hätte ihn ein Schlag in den Magen getroffen. »Nein, ich muss m i ch verhört haben. Ich kann nicht glauben, was du da sagst.«
»Lass uns kein Dra m a daraus m achen. Keine Ausflüchte, kein Dru m heru m reden. Lass es uns einfach hinter uns bringen. Nur wir beide, von Mann zu Mann.«
»Rick … das ist das Schrecklichste, was ich je in m ein e m Leben gehört habe!«
»Mir hat es verdam m t noch m al auch nicht besonders gefallen, wenn du’s genau wissen willst.«
» W ie kannst du … wie kannst du so etwas auch nur denken ? «
Ich starrte ihn weiter an und fragte m i ch, wie lange er sich noch winden würde, bevor er es zugab.
»Hast du sie geliebt?«, fragte ich. Mein Sc h ä d el f ühlte sich ungeheuer schwer an, sodass ich schon befürchtete, m it d e m Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. »Oder ging es nur um Sex ? «
»Gott, Rick … O m ein G o tt … Ich kann nicht …« E r schob seinen Stuhl m it einem lauten, kratzenden Geräusch zurück. »Ich halt das nicht aus … Ich m uss …« Er kä m p fte sich auf die Beine und schwankte in R i chtung Tür wie ein Betrunkener, der dringend ins Bad m usste.
Ich rührte mich nicht von der Stelle. Ich m usterte m eine Hand, die noch immer die Flasche gepackt
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