Level X
nachdenklich zu kauen. Ich hatte das Gefühl, dass er das Mahl von diesem Augenblick an n i cht m ehr wie bish e r genoss.
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Mein M i tt a gessen m it Tickel b ak k er war n u r teilweise er f olgr e ich. Es hatte m i r bestätigt, d ass das, was ich e r lebt hatte, prinzipiell m öglich war – m i r aber auch klar vor Augen geführt, wie unwahrs c hei n lich es w a r, dass m i r je m als jemand glauben würde, selbst je m and wie Tickelbakker, von dem ich es noch am ehesten angenom m e n hätte. Es schien, als habe sich alles gegen m i ch verschworen, um m ein G e fühl der Iso l ation noch zu verstärken, und ich fragte m i ch, wie lange ich dem Druck noch standhalten könnte, ohne t a tsächlich den Verstand zu verlieren.
In je n er N a cht v e r m ischten s i ch in m einem Traum die beiden W elten, die ich kennen gelernt hatte, zu einem surreali s tischen Muster. I m Mittel p unkt stand Anne: eine Ko m bination aus m einer und Richards Anne. S chon vor dem Aufwachen wus s te ich, was dieses Muster zu bedeuten hatte: Das Gespenst der E i fersuch t , das ich auf so grausa m e W eise vor Richard heraufbeschworen hatte, kehrte nun zurück, um mich zu verfolgen.
Charlies Kinder m ädchen bestand darauf, für uns beide Frühstück zu bereiten, obwohl es nicht zu ihren Pflichten gehörte. Ihr N a m e war Peggy. Sie stam m t e aus Kansas, war pum m e lig, adrett und hatte ein breites, freundliches Gesicht, das W a r m herzigkeit ausstrahlte. Bedauerlich war bloß, dass sie nur ein paar W ochen bleiben konnte, bevor sie nach Hause zur ü ck k ehren würde, um dort zu heiraten, worauf sie m i ch allerdings von Anfang an hingewiesen hatte. Als Charlie und ich an d i e s em Morgen am Tisch zusam m ens a ßen, waren m eine Gedanken jedoch weit weg von seinem ununterbrochenen Geplapper, sosehr ich auch sonst auf alles ac h tete, was er sagte, um jedes Anzeichen von Kum m er oder Angst sofort zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
Das Einzige, woran ich denken konnte, war Anne: an die Unterschiede zwischen m einer toten Anne und jener anderen, ( w ahrscheinlich) im m er noch lebenden. Und – Gott vergib m i r, dass ich so albtrau m hafte Gedanken überhaupt hegte – an die m öglichen G e m einsamkeiten.
Ich wurde den Gedanken ein f ach nicht los! Wenn das Gen m aterial, aus dem jene identische Zwillings-Anne geschaffen war, dem Gencode meiner Anne so ähnlich war, wie ich annah m , w i e viele Dinge konnte es da bei ihr – m einer Anne – gegeben haben, von denen ich nie etwas geahnt hatte? Durch einen langsa m en, sch m erzlichen Prozess, über den ich keine Kontrolle hatte, verwandelte sich m eine eigene Frau im Rückblick in ei n e Fre m de. Hatte sie Gehei m nisse vor m i r gehabt? Verborgene Leidenscha f t en? Hatte sie m i ch belogen und betrogen? Wahrscheinlich bildete ich m i r alles nur ein, nichtsdesto- trotz trübten diese Gedanken m eine Erinnerung an Anne wie ein schleic h end wirkendes Gift. Die Menschen in m einer U m gebung führten den abwesenden Eindruck, den ich im m er ö f ter v e r m ittelte, sicher auf m einen schrecklichen Verlust zurück. In Wahrheit steckte m ein schrecklicher Verdacht dahinter.
Anne und Harold hatten sich im m er nahe gestanden. Ich hatte m i ch über ihre Freundschaft gefreut und nie an der Har m losigkeit dieser B eziehung gezweifelt. Konnte ich m i ch so geirrt haben? Sollte H arolds nie er m üdende selbstlose Fürsorge m i r gegenüber m öglicherweise bloß seine eigene hei m liche, schuldb e l a d e n e T rau e r v erber g e n? Es war eine Frage, die ich ihm nie würde stellen können. Undenkbar, einen Freund mit einer derartigen Anschuldigung zu konfrontieren!
Auch Annes Papiere gaben keinerlei Aufschluss. Keine verst e ckten Brie f e, kei n e m ysteriösen Einträ g e in ihrem Ter m inkalender, keine verrät e rischen Telefonnummern in ihrem privaten Adressbuch. Ich fand heraus, dass Balthazar’s Motel a u ch in diesem Universum existierte, ganz so wie in dem anderen. Ich ging sogar so weit – und ich schä m e m i ch, es zugeben zu müssen –, Cy Fotos von Anne und Harold zu zeigen, ihm hundert Dollar zuzustecken und zu fragen, ob er einen von beiden wieder erkenne. W as er nicht tat.
Natürlich w ar es m öglich, dass Harold ihm noch m ehr zugesteckt hatte, da m i t er den Mund hielt. W oher sollte ich das wissen? W i e sollte ich es je herausfinden?
Und wie sollte ich weiterle b en, oh n e je Gewi ss heit zu haben?
Ich glaube, wenn wir m
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