Leviathan - Die geheime Mission
der Ladenbesitzer sie aufgezogen hatte, nahm er den Schlüssel aus der Rückseite. Das Spielzeug begann zu gehen und wankte ruckartig über Zahnräder und Schrauben hinweg.
Der Mann sah auf und zog eine Augenbraue hoch. Vor zwei Wochen hätte der Apparat Alek noch fasziniert, doch inzwischen erschien ihm das zuckende Spielzeug kindisch. Außerdem fand er es schwer zu ertragen, dass dieser einfache Mann ihn Junge genannt hatte.
Er schnaubte verächtlich. »Das Brückenhaus ist falsch. Wenn das ein Mephisto sein soll, ist es viel zu weit nach achtern.«
Der Ladenbesitzer nickte langsam und lehnte sich lächelnd zurück. »Oh, du bist ein richtiger junger Meister, nicht? Als Nächstes unterrichtest du mich in Mechanik, wie?«
Aleks Hand fuhr instinktiv an seine Seite, dorthin, wo sonst sein Säbel gehangen hätte. Der Mann registrierte die Geste sofort. In der Werkstatt herrschte einen Augenblick lang Totenstille.
Dann trat Volger vor und nahm den Geldbeutel. Er holte eine Goldmünze heraus und legte sie auf die Werkbank.
»Sie haben uns nicht gesehen«, sagte er mit stählerner Stimme.
Der Ladenbesitzer reagierte nicht, starrte nur Alek an, als wollte er sich sein Gesicht einprägen. Alek erwiderte das Starren und hielt die Hand weiterhin auf dem nicht vorhandenen Säbel, bereit, sein Gegenüber herauszufordern. Doch plötzlich zog ihn Klopp in Richtung Tür und hinaus auf die Straße.
Als ihm Staub und Sonnenlicht in den Augen brannten,
begriff Alek, was er getan hatte. Seine Aussprache, seine Reaktion … Der Mann hatte gesehen, wer er war.
»Vielleicht hat die Lektion in Demut gestern noch nicht genügt«, zischte Volger, während sie sich durch die Menschen drängten und sich zu dem Bach aufmachten, der sie zu dem versteckten Läufer führte.
»Es ist mein Fehler«, sagte Klopp. »Ich hätte Sie davor warnen sollen, zu sprechen.«
»Er hat es beim ersten Wort gewusst, das ich gesagt habe, nicht wahr?«, fragte Alek. »Ich bin ein Narr.«
»Wir sind drei Narren.« Volger warf im Vorbeigehen einem Schlachter eine Silbermünze zu und schnappte sich einige Würste, ohne anzuhalten. »Natürlich haben sie die Gilde der Mechaniker aufgefordert, nach uns Ausschau zu halten!« Er fluchte. »Und wir haben Sie in die erste Werkstatt geführt, die wir gefunden haben, und uns eingebildet, ein bisschen Dreck würde Sie ausreichend tarnen.«
Alek biss sich auf die Lippe. Vater hatte es nie gestattet, dass man ihn fotografierte oder auch nur zeichnete, und jetzt wusste Alek, warum: Er hatte daran gedacht, dass er sich vielleicht einmal verstecken musste. Und trotzdem hatte er sich verraten.
Er hatte gehört, wie anders Klopp gesprochen hatte. Warum hatte er selbst nicht einfach den Mund halten können?
Am Rand des Marktes blieb Klopp plötzlich stehen und hielt die Nase in die Luft. »Ich rieche Kerosin. Das
immerhin brauchen wir und Motoröl, oder wir schaffen keinen Kilometer mehr.«
»Beeilen wir uns«, sagte Volger. »Mein Bestechungsversuch war vermutlich sinnlos.« Er drückte Alek eine Münze in die Hand und zeigte auf einen Stand. »Schauen Sie doch mal, Hoheit, ob Sie eine Zeitung kaufen können, ohne gleich ein Duell anzufangen. Wir müssen wissen, ob sie bereits einen neuen Erben ausgewählt haben und wie nahe Europa am Abgrund des Krieges steht.«
»Aber bleiben Sie in Sichtweite, junger Herr«, fügte Klopp hinzu.
Die beiden Männer eilten auf einen Stapel Benzinkanister zu und ließen Alek im Gewühl des Marktes allein. Er drängte sich durch die Menschenmenge und biss die Zähne zusammen.
Die Zeitungen waren auf einer langen Bank ausgelegt und mit Steinen beschwert. Die Ecken flatterten im Wind. Er sah von einer zur anderen und fragte sich, welche er kaufen sollte. Sein Vater hatte immer gesagt, Zeitungen ohne Bilder seien die einzigen, die sich zu lesen lohnten.
Sein Blick fiel auf eine Schlagzeile: EUROPA SOLIDA-RISCH GEGEN DIE SERBISCHE PROPAGANDA.
Alle Zeitungen klangen ähnlich und verbreiteten Zuversicht, dass die ganze Welt Österreich-Ungarn nach den Ereignissen in Sarajevo unterstützte. Aber Alek bezweifelte, ob das der Wahrheit entsprach. Selbst die Menschen in dieser österreichischen Kleinstadt schienen sich wenig um den Mord an seinen Eltern zu scheren.
»Welche willst du?«, fragte jemand von der anderen Seite der Bank.
Alek betrachtete die Münze in seiner Hand. Nie zuvor hatte er Geld angefasst, nur die römischen Silberstücke aus der Sammlung seines Vaters. Diese Münze
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