Leviathan - Die geheime Mission
Chor kreischenden Hühnern. Alek rutschte immer wieder auf Kartoffeln und Zwiebeln aus, die auf das Pflaster gefallen waren. An langen Stangen, die Männer über die Schulter trugen, hingen rohe Fleischstücke, und ein Esel stieß Alek mit seiner Ladung aus Feuerholz an.
Am schlimmsten fand er die Menschen. In der kleinen Kabine des Läufers hatte er sich an den Geruch ungewaschener Leiber gewöhnt. Doch hier in Lienz drängten sich Hunderte von Leuten aus dem einfachen Volk an ihm vorbei, berührten ihn von allen Seiten und entschuldigten sich nicht einmal, wenn sie ihm auf die Füße traten.
»In den Straßen von Lienz.«
Bei jedem Stand jammerten sie über den Preis, als hätten sie die Pflicht, bei allen Käufen zu streiten. Wer nicht zankte, stand daneben und unterhielt sich über Belangloses: über die Sommerhitze, die Erdbeerernte und die Gesundheit des Schweins irgendeines Nachbarn.
Ihr unaufhörliches Geplapper über nichts und wieder nichts ergab sicherlich einen gewissen Sinn, nahm er an, denn im Leben des einfachen Volkes geschah niemals etwas Wichtiges. Aber Alek fand es schier überwältigend, wie unbedeutend ihm das alles erschien.
»Sind sie immer so?«, fragte er Volger.
»Wie, Alek?«
»Reden sie immer über so belanglose Dinge?« Eine alte Frau stieß ihn an und murmelte einen Fluch. »Und sind so unhöflich?«
Volger lachte. »Viele von ihnen denken halt nicht über ihren Tellerrand hinaus.«
Alek sah eine Zeitungsseite unter seinen Füßen flattern, die halb vom Rad einer Kutsche in den Dreck gedrückt worden war. »Aber bestimmt wissen sie doch, was meinen Eltern zugestoßen ist. Und dass Krieg vor der Tür steht. Machen sie sich gar keine Sorgen oder zeigen sie das lediglich nicht?«
»Ich denke, Hoheit, dass die meisten gar nicht lesen können.«
Alek runzelte die Stirn. Vater hatte immer Geld an die katholischen Schulen gespendet und die Meinung vertreten, dass jeder Mann eine Stimme haben sollte, unabhängig
von seinem Stand. Doch als er jetzt dem Gerede der Menge lauschte, bezweifelte Alek, ob das Volk überhaupt genügend Verständnis für die Politik des Landes entwickeln konnte.
»Da wären wir, meine Herren«, verkündete Klopp.
Die Mechanikwerkstatt befand sich in einem massiven Steingebäude am Rande des Marktplatzes. Die offene Tür führte in eine kühle und gnädigerweise stille Dunkelheit.
»Ja?«, rief jemand aus dem Schatten. Nachdem sich Aleks Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah er einen Mann, der ihn von einer Werkbank voller Zahnräder und Eisenfedern anstarrte. Größere Mechanikteile säumten die Wände: Achsen, Kolben und ein kompletter Motor waren im Halbdunkel zu erkennen.
»Wir brauchen ein paar Ersatzteile«, sagte Klopp.
Der Mann musterte sie von oben bis unten und begutachtete die Kleidung, die sie vor einigen Tagen auf einem Bauernhof von der Leine gestohlen hatten. Alle drei waren noch bedeckt vom gestrigen Staub und von Roggenhalmen.
Der Werkstattbesitzer wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Wir haben hier keine Mechanik für Bauern. Versuchen Sie Ihr Glück bei Kluge.«
»Bei Ihnen ist es uns schon recht«, sagte Klopp. Er trat vor und ließ einen Geldbeutel auf die Werkbank fallen. Das zum Bersten mit Münzen vollgestopfte Säckchen landete mit einem dumpfen Klirren.
Der Mann zog die Augenbrauen hoch und nickte schließlich.
Klopp zählte Zahnräder und Glühkerzen und Elektrozubehör auf, Teile, die bei ihrem Läufer nach vierzehntägiger Reise abgenutzt waren. Der Ladenbesitzer unterbrach ihn gelegentlich mit einer Frage, wandte jedoch nicht den Blick von dem Geldbeutel ab.
Während Alek zuhörte, fiel ihm auf, dass sich Meister Klopps Art zu sprechen verändert hatte. Normalerweise redete der Mann langsam und deutlich, doch nun nuschelte er und hatte den Akzent des Volkes angenommen. Einen Moment lang dachte Alek, Klopp spiele nur. Doch dann fragte er sich, ob es vielleicht seine eigentliche Art zu sprechen war. Möglicherweise verstellte er sich ja auch gegenüber dem Adel. Es war ein seltsamer Gedanke, dass Alek in den drei Jahren Übungen seinen Lehrer vielleicht nie so gehört hatte, wie er normalerweise sprach.
Als die Liste aufgezählt war, nickte der Ladenbesitzer langsam. Dann richtete er den Blick auf Alek. »Und noch etwas für den Jungen?«
Er holte ein Spielzeug aus seinem Durcheinander. Es war ein sechsbeiniger Läufer, das Modell einer achthundert Tonnen schweren Landfregatte der Mephisto -Klasse. Nachdem
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