Leviathan - Die geheime Mission
Newkirk. Er schien nicht halb so luftkrank zu sein wie Deryn.
»Warten Sie, bis ich Sie an eine längere Leine gebunden
habe«, sagte Rigby, der weiter an seinen Seilen herumfummelte. »Ich habe keine Lust, meine beiden letzten Kadetten zu verlieren.«
Deryn kletterte über den Rand der Höhle und versuchte, nicht auf die Gipfel zu achten, die sich ihnen immer weiter entgegenreckten. Hatte das Luftschiff zu viel Wasserstoff verloren, um sich in der Höhe zu halten?
Sie verdrängte diesen Gedanken und kletterte vorsichtig hinunter in einen dunklen Spalt der Flugtierhaut. Das Grollen der Mechanistenmaschinen schwoll in ihren Ohren an, aber Deryn wagte es nicht, den Blick von ihren Füßen oder Händen zu lösen.
Nur noch ein paar Fuß …
Hinter ihr knatterte ein Maschinengewehr, und sie drückte sich flach an die Leviathan, schloss die Augen und flüsterte: »Keine Angst, Tierchen. Ich zeig diesen Pennbrüdern schon, wo es langgeht.«
Scheinwerfer strichen über ihre geschlossenen Augen und die Maschinen entfernten sich röhrend und hinterließen den ekligen Gestank der Auspuffgase, die sich mit dem ausströmenden Wasserstoff vermischten.
Deryn ließ sich das letzte Stück fallen. Ihre Füße fanden kaum Halt an der Kante der Höhle. Sie klammerte sich an das Seil, schwang sich hinein und rutschte auf ihren Knien voran.
Die Höhle war leer. Nicht eine einzige Fledermaus war zu sehen.
»Brüllende Spinnen«, fluchte Deryn leise.
Der Boden unter ihr schwankte und sie drehte sich um und schaute nach draußen. Der Horizont kippte. Dann verschwanden die Berge und an ihre Stelle trat der kalte Sternenhimmel … Die Leviathan stieg wieder!
Sie zog sich aus der Höhle. Die Stelle, an der sie hinuntergeklettert war, lag nun beinahe waagerecht vor ihr. Rigby und Newkirk standen da und hatten ihre Gurtzeuge mit einem langen Seil verbunden.
»Kein Glück, Sir!«, rief sie ihnen zu. »Ich glaube, sie sind alle draußen!«
»Na, dann weiter, Jungs.« Mr Rigby drehte sich um und machte sich erneut zum Rückgrat auf. »Verschwinden wir vom Bug, ehe die Leviathan die Nase wieder nach unten drückt.«
Die drei gingen so weit auseinander, wie es ihre Sicherheitsleinen zuließen, und scheuchten auf dem Weg zum Rücken die letzten Fledermäuse auf. Deryn stieg so schnell sie konnte nach oben. Jetzt, wo das Luftschiff sich ständig hin und her drehte, war es keine gute Idee mehr, hier vorn zu sein.
Die beiden letzten Flugzeuge lauerten immer noch in der Ferne und Deryn fragte sich, worauf sie wohl warteten. Einige Kampffalken zogen durch die Luft, doch ihre Netze sahen zerfetzt aus. Nur ein einziger Suchscheinwerfer brannte – die Mannschaft versuchte, die Flechet-Fledermäuse zu einem Schwarm zu sammeln.
Oben auf dem Rückgrat sah es übel aus. Das vordere Luftgeschütz wurde gerade von einer Reparaturmannschaft
in seine Einzelteile zerlegt. Überall lagen Verwundete, und die Schnüffler spielten verrückt, weil so viel Wasserstoff ausströmte. Der riesige Harnisch des Wals war an vielen Stellen von Kugeleinschlägen durchlöchert.
Deryn kniete bei einem Verwundeten, der die Leine eines Wasserstoffschnüfflers umklammerte. Das Tier winselte und blickte vom blassen Gesicht seines Herrchens zu ihr auf. Sie sah genauer hin. Der Mann war tot.
Plötzlich begann Deryn zu zittern und wusste nicht, ob das wegen der Kälte war oder ob sie im Gefecht einen Schock erlitten hatte. Obwohl sie erst seit einem Monat an Bord war, fühlte es sich plötzlich an, als sähe sie ihrer Familie beim Sterben zu, als würde ihr Heim vor ihren Augen niederbrennen.
Wieder wurde das Dröhnen der Mechanistenmotoren lauter und alle Blicke wandten sich dem dunklen Himmel zu. Die letzten beiden Flieger jagten zusammen heran und stürzten sich noch einmal auf das Luftschiff.
Deryn fragte sich, was wohl in den Köpfen der Besatzung dieser Maschinen vorgehen mochte. Sie hatten zuschauen müssen, wie ihre Kameraden abgestürzt waren. Sicherlich wussten sie, dass auch sie sterben würden. Welcher Irrsinn trieb sie, dass es ihnen so wichtig war, die Leviathan umzubringen?
Das einsame Suchlicht schwenkte vor ihnen her und einer der Flieger bebte in der Luft. Die kleinen schwarzen Schemen der Fledermäuse zerrissen die Flügel und das
Flugzeug drehte bei. Seltsam unbeteiligt schaute Deryn zu, wie der Luftstrom sich um die Flügel veränderte, und sie wusste im Voraus, dass das Flugzeug bald in sich zusammenbrechen und abstürzen würde. Sie wandte sich
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