Leviathan - Die geheime Mission
braucht der Eierkopf meine Hilfe nicht.« Dylan schnaubte. »Sie ist der Meinung, du musst ziemlich wichtig sein.«
»Wegen der Burg? Weil sie mit einem Läufer gekommen sind, um mich zu holen?«
Dylan schüttelte den Kopf. »Weil sie einen brüllenden Grafen für dich eingetauscht haben.«
Innerlich fluchte Alek. Dr. Barlow hatte es verstanden, als er Volger mit seinem Titel angesprochen hatte. Und das war nicht das Einzige, was er von sich verraten hatte.
»Kann ich dir vertrauen, Dylan? Dass du ein Geheimnis bewahrst?«
Der Junge blickte ihn fragend an. »Nicht, wenn es Gefahr für das Schiff bedeutet.«
»Natürlich nicht. Es ist nur … Würde es dir etwas ausmachen, Dr. Barlow nicht zu sagen, dass ich Waise bin?« Alek zögerte und fragte sich, ob er sich nicht schon allein durch diese Bitte verriet. »Wenn sie es erfährt, würde sie sich ausrechnen können, wer ich bin. Und dann würde es vermutlich wieder neuen Ärger geben.«
Dylan starrte Alek einen Moment lang an und nickte dann feierlich. »Ich kann das Geheimnis bewahren. Deine Familie geht uns nichts an.«
»Danke.« Erneut schüttelten sie sich die Hände, und Alek fühlte, wie eine große Last von ihm abfiel, denn Dylan würde sein Wort halten. Nachdem man ihm monatelang nicht die Wahrheit gesagt hatte – weder seine Familie noch die Verbündeten seines Landes, noch seine eigene Regierung -, war es eine große Erleichterung, wieder jemandem vertrauen zu können.
Er trat von einem Fuß auf den anderen. »Sollen wir vielleicht mal ins Warme gehen?«
»Aye. Eine Tasse heißer Tee wäre wirklich brillant.«
»Wir können Feuer machen!«, sagte Alek, denn jetzt brauchten sie ja den Rauch nicht mehr zu meiden. Wieder ein Vorteil, der daher rührte, dass er den Darwinisten geholfen hatte: Er konnte zum ersten Mal seit Wochen heiß baden und etwas Warmes essen.
Das Abendessen war ein außerordentlicher Genuss, aber das Bad war noch viel besser.
Zuerst füllte Bauer die Wanne mit Schnee, den er dann mit kochendem Wasser schmolz, das er in Töpfen erhitzt hatte. Die Temperatur des Bades war danach angenehm heiß und zum ersten Mal seit einem Monat verschwand die schwarze Motorenschmiere unter Aleks Fingernägeln. Da sie eine Dame zu Besuch hatten, rasierten sich Klopp, Bauer und Hoffmann, und Dylan beschwerte sich laut, dass er sein Rasierzeug nicht mitgenommen hatte, obwohl der Junge es kaum zu brauchen schien.
Dr. Barlow machte keine Anstalten, in einer Burg voller Männer zu baden. Doch als auch Dylan nicht in die Wanne steigen wollte, fragte sich Alek, ob es an Bord darwinistischer Luftschiffe so viel heißes Wasser gab.
Hoffmann taute über dem Feuer ein Lamm auf, während Meister Klopp und Bauer einen großen Topf Kartoffeln mit Hühnerbrühe, Zwiebeln und schwarzem Pfeffer
kochten. Das Festessen dauerte bis nach Einbruch der Dunkelheit, obwohl alle sehr erschöpft waren.
Es war wohltuend, eine Dame am Tisch zu haben. Wie Alek vermutet hatte, sprach Dr. Barlow recht flüssig Deutsch. Und Dylan gelang es, die anderen Männer mit den wenigen Worten, die sie tagsüber aufgeschnappt hatte, zum Lachen zu bringen.
Im Laufe des Abends begann Alek darüber nachzudenken, wann er wohl das nächste Mal ein unbekanntes Gesicht sehen würde. Nach fünf Wochen auf der Flucht hatte er fast vergessen, wie es war, jemanden kennenzulernen oder neue Freundschaften zu schließen. Wenn er nun jahrelang in dieser Burg ausharren musste?
Am nächsten Morgen machte Alek langsam und vorsichtig die ersten Schritte.
Der Schlitten wollte sich zunächst gar nicht bewegen, wie ein Hund, der sich gegen die Leine stemmte. Aber schließlich brachen die Kufen das Eis, das sich über Nacht auf ihnen gebildet hatte, und scharrten über die Steine des Hofes.
Als sich der Sturmläufer dem Tor näherte, fragte sich Alek, ob der Schlitten hinter ihnen wohl gerade stand.
Meister Klopp hatte anscheinend seine Gedanken gelesen. »Vielleicht sollte ich durch die Luke nach hinten schauen und aufpassen, so wie sonst Volger.«
»Ich will Sie nicht beleidigen, Klopp«, sagte Alek, »aber Sie sind ein wenig zu kräftig gebaut, um auf meinen
Schultern zu stehen.« Der Mechanikmeister zuckte mit den Achseln und wirkte erleichtert.
»Vielleicht könnte Mr Sharp aushelfen«, schlug Dr. Barlow auf Deutsch vor. Sie saß wieder auf dem Kommandantensitz und Tazza lag zu ihren Füßen.
Alek stimmte zu, und bald stand Dylan mit den Schuhen auf Aleks Schultern und hielt durch die
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