Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Liebe.«
»Ich wollte doch nur …«
»Wenn Sie mit mir schlafen wollen, dann seien Sie ehrlich«, fiel Naomi ihm ins Wort. »So viel Achtung sollten Sie mir entgegenbringen. In Ordnung?«
Miller hustete. Er hatte es nicht beabsichtigt, er hatte es nicht einmal kommen sehen. Sein Bauch verkrampfte sich, die Kehle schnürte sich zu, er hustete tief und feucht. Sobald er begonnen hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Holden lag schweigend auf dem Bett, Naomi saß auf der nächsten freien Liege und lächelte, als sei nichts passiert, was man hätte belauschen können. Holdens Monitore zeigten einen beschleunigten Puls und einen erhöhten Blutdruck. Miller konnte nur hoffen, dass der arme Kerl mit dem Katheter im Penis nicht auch noch eine Erektion bekommen hatte.
»Hallo, Detective«, sagte Naomi. »Wie geht es Ihnen?«
Miller nickte.
»Ich hab mich schon schlechter gefühlt.« Einen Augenblick später fügte er hinzu: »Nein, das stimmt nicht. Aber es geht. Wie schlimm war es denn?«
»Sie sind beide tot«, erklärte Naomi. »Ehrlich, wir mussten bei Ihnen beiden mehr als einmal die Triagefilter abschalten. Das Expertensystem wollte Sie als Pflegefälle behandeln und ständig unter Morphium halten.«
Sie berichtete es fast scherzend, doch er glaubte ihr jedes Wort. Er versuchte, sich aufzurichten. Der Körper war immer noch schrecklich schwer, auch wenn er nicht wusste, ob es Schwäche oder der Schub des Schiffs war. Holden biss die Zähne zusammen und schwieg. Miller tat so, als bemerkte er es nicht.
»Wie sind die langfristigen Aussichten?«
»Sie müssen beide für den Rest Ihres Lebens alle paar Monate auf Krebs untersucht werden. Der Kapitän hat ein Implantat, das die zerstörte Schilddrüse ersetzt. Ihnen mussten wir einen halben Meter Dünndarm entnehmen, der nicht zu bluten aufhören wollte. Ihnen beiden wird noch eine Weile alles Mögliche wehtun, und falls Sie Kinder haben wollen, wäre es gut, wenn Sie irgendwo Sperma in einer Samenbank gelagert haben, denn es könnte gut sein, dass Ihre kleinen Soldaten jetzt alle zwei Köpfe haben.«
Miller kicherte, worauf seine Monitore kurz Alarm schlugen. Sie beruhigten sich von selbst wieder.
»Das klingt, als hätten Sie eine medizinische Ausbildung«, sagte er.
»Nein, ich bin Technikerin. Aber ich habe jeden Tag die Werte abgelesen und begriffen, worum es hier geht. Ich wünschte, Shed wäre noch da«, sagte sie. Es klang nach ehrlicher Trauer.
Dies war das zweite Mal, dass jemand Shed erwähnte. Offenbar steckte dahinter eine interessante Geschichte, doch Miller ließ es auf sich beruhen.
»Werden mir die Haare ausfallen?«
»Vielleicht«, antwortete Naomi. »Das System hat Sie mit Medikamenten vollgepumpt, die das verhindern sollen, aber wenn die Follikel tot sind, ist es eben vorbei.«
»Na ja, ein Glück, dass ich den Hut gerettet habe. Wie steht es um Eros?«
Darauf wusste Naomi keine scherzende Antwort mehr.
»Eros ist tot.« Holden drehte sich zu Miller herum. »Ich glaube, wir sind das letzte Schiff, das noch herausgekommen ist. Die Station antwortet nicht auf Rufe, und die automatischen Systeme haben eine Quarantänesperre eingerichtet.«
»Sind Rettungsschiffe unterwegs?«, fragte Miller und hustete wieder. Die Kehle war immer noch wund.
»Das wird nicht passieren«, wandte Naomi ein. »Auf der Station waren anderthalb Millionen Menschen. Niemand hat genügend Ressourcen, um so eine Rettungsaktion durchzuführen.«
»Immerhin«, ergänzte Holden, »herrscht gerade Krieg.«
Das Schiffssystem dämpfte die Lichter für die Nachtruhe. Miller lag auf dem Bett. Das Expertensystem hatte eine neue Phase der Behandlung eingeleitet. In den letzten drei Stunden war er zwischen rasendem Fieber und zähneklappernder Kälte gependelt. Die Zähne und die Nagelbetten der Finger und Zehen taten weh. Schlafen konnte er nicht, also lag er im Zwielicht und riss sich zusammen.
Er fragte sich, was seine alten Partner Havelock und Muss zu seinem Verhalten auf Eros gesagt hätten, und malte sich aus, wie sie an seiner Stelle gehandelt hätten. Er hatte Menschen getötet, und zwar ausgesprochen kaltblütig. Eros hatte sich als Todesfalle erwiesen, und wenn die Verantwortlichen die Bewohner töten wollten, hatte das Gesetz keine Gültigkeit mehr. Außerdem hatten zu den Toten die Halunken gezählt, die Julie umgebracht hatten.
Also hatte er aus Rache getötet. War er wirklich schon so weit heruntergekommen? Einfach nur Rache? Ein trauriger Gedanke. Er
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