Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
sie senden.«
Millers Antwort kam reflexartig. »Nein, werden Sie nicht.«
Holden richtete sich auf, in seiner Miene tobte ein Sturm.
»Ich akzeptiere, dass Sie anderer Meinung sind«, sagte er, »aber dies ist immer noch mein Schiff. Sie sind ein Passagier.«
»Das ist wahr«, antwortete Miller. »Aber es fällt Ihnen schwer, auf Leute zu schießen, und Sie müssten mich umlegen, ehe Sie das Ding da abschicken.«
»Wie bitte?«
Das aufgefrischte Blut strömte in Millers Kreislauf, als tröpfelte Eiswasser durch sein Herz. Die Monitore wechselten die Anzeige und zählten die anomalen Zellen, die in den Filtern hängen blieben.
»Sie müssten mich erschießen«, wiederholte Miller langsam. »Sie hatten jetzt zweimal die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob Sie das Sonnensystem zerstören, und beide Male haben Sie es vermasselt. Ich will nicht zusehen müssen, wie Sie das noch einmal tun.«
»Ich glaube, Sie überschätzen den Einfluss, den der zweithöchste Offizier eines Wassertransporters tatsächlich hat. Ja, es gibt einen Krieg, und richtig, ich war da, als er begann. Doch der Gürtel hat die inneren Planeten schon verabscheut, lange bevor die Canterbury angegriffen wurde.«
»Sie haben auch die inneren Planeten gespalten«, ergänzte Miller.
Holden nickte.
»Die Erde hat den Mars schon immer gehasst«, sagte Holden, als verkündete er lediglich, dass Wasser nass sei. »Als ich noch in der Marine war, haben wir Projektionen entwickelt. Schlachtpläne für den Fall, dass es zwischen Erde und Mars ernst wird. Die Erde verliert. Wenn sie nicht zuerst und sehr hart zuschlägt, ohne nachzulassen, verliert die Erde.«
Vielleicht lag es an der Entfernung, vielleicht war es nur ein Mangel an Fantasie. Von einem Konflikt zwischen den inneren Planeten hatte Miller jedenfalls noch nie gehört.
»Ehrlich?«, fragte er.
»Der Mars ist die Kolonie, aber sie haben das bessere Spielzeug, und das weiß jeder«, erklärte Holden. »Alles, was jetzt da draußen geschieht, baut sich schon seit hundert Jahren auf. Wenn es nicht von Anfang an da gewesen wäre, hätte es gar nicht passieren können.«
»Ist das Ihre Verteidigung? Es ist ja nicht mein Pulverfass, ich habe nur das Streichholz mitgebracht.«
»Ich verteidige mich gar nicht«, erwiderte Holden. Sein Herz raste, der Blutdruck stieg.
»Wir haben schon einmal darüber gesprochen«, sagte Miller. »Also will ich einfach nur fragen, warum Sie glauben, es sei dieses Mal anders.«
Die Nadeln in Millers Arm wurden so heiß, dass es beinahe wehtat. Er fragte sich, ob das normal war und ob sich jede Blutwäsche so anfühlen musste.
»Dieses Mal ist es tatsächlich anders«, erklärte Holden. »Der ganze Mist, der da draußen passiert, konnte nur geschehen, weil die Informationen unzureichend waren. Der Mars und der Gürtel hätten einander nicht angegriffen, wenn sie von Anfang an gewusst hätten, was wir jetzt wissen. Die Erde und der Mars würden nicht aufeinander schießen, wenn sie gewusst hätten, dass sie auf jemand anders hereingefallen sind. Das Problem ist nicht, dass die Leute zu viel wissen, sondern dass sie zu wenig wissen.«
Etwas zischte, und Miller spürte die chemische Entspannung wie eine Woge. Er mochte es nicht, doch das Medikament konnte er nicht mehr zurückrufen.
»Sie können die Leute nicht einfach mit den Informationen überschütten«, widersprach Miller. »Sie müssen vorher wissen, was die Informationen bedeuten und welche Folgen sie haben werden. Auf Ceres hatten wir mal einen Fall, bei dem ein kleines Mädchen getötet wurde. Die ersten achtzehn Stunden waren wir alle sicher, ihr Daddy habe es getan. Er war ein Straftäter und Trinker, er war der Letzte, der sie lebendig gesehen hatte. All die klassischen Indizien. In der neunzehnten Stunde bekamen wir einen Hinweis. Es stellte sich heraus, dass Daddy einem örtlichen Syndikat eine Menge Geld schuldete. Auf einmal wurde die Sache kompliziert, wir hatten mehrere Verdächtige. Glauben Sie, Daddy hätte, als die richtigen Hinweise eingingen, noch gelebt, wenn ich von Anfang an alles verbreitet hätte, was ich wusste? Hätte sich nicht vorher jemand entschlossen, das Naheliegende zu tun?«
Millers Geräte zirpten. Ein neuer Krebsherd. Er kümmerte sich nicht darum. Holdens Behandlung war fast beendet, die geröteten Wangen zeugten ebenso von dem frischen, gesunden Blut im Kreislauf wie von seiner Erregung.
»Das ist genau die Moral, die sie auch an den Tag legen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher