Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
nicht darauf ein. In diesem Augenblick stand Julie neben dem General. Miller betrachtete die Spiegelbilder der beiden auf den Bildschirmen, der Mann nachdenklich, der Geist amüsiert. Vielleicht hatte Miller es von Anfang an falsch verstanden, und der große Unterschied zwischen dem Gürtel und den inneren Planeten betraf gar nicht die Politik und die Ressourcenverwaltung. Er wusste so gut wie jeder andere, dass das Leben im Gürtel härter und gefährlicher war als auf dem Mars oder der Erde. Trotzdem verließen viele Leute – die besten sogar – die Schwerkraftsenke der Menschheit und wagten sich in die Dunkelheit.
Der Impuls, das Heim zu verlassen, zu forschen und zu expandieren, trieb sie an. So weit wie nur irgend möglich ins Universum vorstoßen. Da Protogen und Eros ihnen jetzt die Chance boten, Götter zu werden, das Menschengeschlecht neu zu erfinden und Wesen zu erzeugen, die vollbringen konnten, was bisher noch niemand zu erträumen, geschweige denn zu tun vermocht hatte, war es für Leute wie Fred, das erkannte Miller jetzt, sehr schwer, der Versuchung zu widerstehen.
»Sie haben Dresden getötet«, erklärte Fred. »Das ist ein Problem.«
»Es war nötig.«
»Ich bin da nicht so sicher«, erwiderte Fred, doch er blieb vorsichtig. Prüfend. Miller lächelte traurig.
»Genau deshalb musste es geschehen.«
Das kleine, hustende Lachen verriet Miller, dass Fred ihn genau verstanden hatte. Der General blickte ihn entschlossen an.
»Am Verhandlungstisch wird sich jemand dafür verantworten müssen. Sie haben einen unbewaffneten Mann getötet.«
»Das habe ich getan«, räumte Miller ein.
»Zu gegebener Zeit werde ich Sie als mein erstes Angebot den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Ich werde Sie nicht beschützen.«
»Ich würde Sie auch nicht darum bitten.«
»Selbst wenn dies bedeutet, als ehemaliger Cop aus dem Gürtel in einem Gefängnis auf der Erde zu sitzen?«
Wie sie beide wussten, war das eine äußerst milde Umschreibung. Du gehörst zu mir, sagte Julie. Also war doch im Grunde alles andere egal.
»Ich bereue nichts«, erwiderte er und entdeckte einen halben Atemzug später, dass es beinahe der Wahrheit entsprach. »Wenn es da draußen einen Richter gibt, der mich etwas fragen will, werde ich antworten. Ich suche hier einen Job, keinen Schutz.«
Fred saß auf dem Stuhl, kniff die Augen zusammen und dachte nach. Miller beugte sich vor.
»Sie bringen mich in eine schwierige Situation«, erklärte Fred. »Sie sagen die richtigen Dinge, aber es fällt mir schwer, darauf zu vertrauen, dass Sie sich benehmen. Es wäre gefährlich, Sie offiziell einzustellen. Es könnte meine Position bei den Friedensverhandlungen untergraben.«
»Es ist ein Risiko«, stimmte Miller zu. »Allerdings war ich auf Eros und der Thoth-Station. Ich bin mit Holden und seiner Crew auf der Rosinante geflogen. Wenn die Analyse des Protomoleküls beginnt und die Frage aufkommt, wie wir in dieses Chaos geraten sind, kann Ihnen niemand besser als ich Auskunft darüber geben. Sie könnten vorbringen, ich wüsste zu viel und sei zu wertvoll, um mich gehen zu lassen.«
»Oder zu gefährlich.«
»Oder dies. Genau.«
Sie schwiegen einen Moment. Drüben auf der Nauvoo schimmerte eine Reihe von Lichtern golden und grün und erlosch, als die Techniker etwas überprüften.
»Sicherheitsberater«, sagte Fred. »Unabhängig. Sie bekommen keinen Rang.«
Ich bin für die AAP zu schmutzig, dachte Miller amüsiert.
»Wenn er mir eine eigene Koje einbringt, nehme ich den Job«, erwiderte er. Es wäre ja nur, bis der Krieg vorbei war. Danach wäre er Fleisch für die Maschine. Das war schon in Ordnung. Fred lehnte sich zurück, der Stuhl passte sich leise zischend an die veränderte Belastung an.
»In Ordnung«, sagte Fred. »Hier ist Ihre erste Aufgabe. Analysieren Sie die Situation. Was ist mein größtes Problem?«
»Eindämmung«, erwiderte Miller.
»Glauben Sie, ich könnte die Informationen über die Thoth-Station und das Protomolekül zurückhalten?«
»Natürlich nicht«, erklärte Miller. »Einmal wissen zu viele Leute bereits Bescheid. Außerdem ist Holden einer von ihnen, und falls er die Sache nicht schon auf jeder freien Frequenz gesendet hat, wird er es bald tun. Außerdem können Sie keinen Friedensvertrag schließen, ohne zu erklären, was überhaupt los ist. Früher oder später wird es herauskommen.«
»Was raten Sie mir?«
Miller befand sich einen Moment lang wieder in der Dunkelheit und hörte das Geplapper
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