Lewis, Michael
eingestellt, damit Sie bestimmte Aufgaben erfüllen. Also tun Sie das, und
halten Sie gefälligst den Mund.< Ich verließ sein Büro und sagte zu mir:
>Ich muss hier raus.<«
Vinny
suchte sich einen neuen Job. Einer seiner Schulfreunde arbeitete bei einer
Firma namens Oppenheimer and Co. und verdiente nicht schlecht. Er reichte
Vinnys Lebenslauf bei der Personalabteilung ein, und dieser fand seinen Weg
auf den Schreibtisch von Steve Eisman. Eisman war auf der Suche nach einem
Mitarbeiter, der ihm helfen konnte, die zunehmend undurchsichtigen
Bilanzierungsmethoden der Verbriefer von Subprime-Hypotheken zu analysieren.
»Ich bin kein guter Rechner«, gestand Eisman. »Ich denke in Geschichten. Ich
brauche jemanden, der mir mit den Zahlen zur Hand geht.« Vinny hörte, dass
Eisman schwierig sein konnte, und war überrascht, dass sich Eisman bei ihrer
ersten Begegnung nur dafür zu interessieren schien, ob sie miteinander
auskamen. »Es war, als suche er einfach einen Menschen, den er mochte«,
erzählte Vinny. Sie hatten sich zweimal getroffen, als Eisman unerwartet
anrief. Vinny nahm an, er wolle ihm einen Job anbieten, doch sie hatten ihr
Gespräch kaum begonnen, als Eisman einen dringenden Anruf erhielt und Vinny in
die Warteschleife legte. Vinny hing schweigend 15 Minuten in der Leitung, doch
Eisman meldete sich nicht mehr.
Erst
zwei Monate später rief er wieder an und wollte wissen, wann Vinny anfangen
könne.
Eisman
wusste nicht mehr genau, warum er Vinny aus der Leitung geworfen und nicht
wieder zugeschaltet hatte - so, wie er sich auch nicht mehr erinnerte, warum er
seinerzeit während des Essens mit dem wichtigen CEO zur Toilette gegangen und
nicht zurückgekommen war. Vinny fand bald eine eigene Erklärung. Als Eisman
den anderen Anruf entgegennahm, musste er erfahren, dass sein erstes Kind, Max,
gerade erst geboren, gestorben war. Valerie, die mit Grippe im Bett lag, war
von der Nachtschwester geweckt worden; die teilte ihr mir, dass sie im Schlaf
auf das Baby gerollt sei und es erstickt habe. Zehn Jahre später berichteten
die Menschen, die Eisman am nächsten standen, dieses Ereignis habe seine
Beziehung zur Welt um ihn herum verändert. »Steven hatte sich immer für ein
Glückskind gehalten«, erzählte Valerie. »Ihm war nie etwas Böses widerfahren.
Er wurde beschützt und fühlte sich sicher. Nach Max war der Zauber gebrochen.
Nun konnte ihm jederzeit alles passieren.« Von da an bemerkte sie viele
Veränderungen an ihrem Mann, große und kleine, und Eisman widersprach nicht.
»Die Welt stand wegen Max' Tod nicht still«, sagte Eisman. »Doch meine kleine
Welt schon.«
Vinny
und Eisman sprachen nie darüber. Vinny war lediglich klar, dass der Eisman, für
den er nun arbeiten würde, nicht derselbe Eisman war, den er mehrere Monate
zuvor kennengelernt hatte. Der Eisman, der das Vorstellungsgespräch geführt
hatte, war nach den Maßstäben der Wall-Street-Analysten ein rechtschaffener
Mensch. Und er hatte sich nie vollkommen unkooperativ gezeigt. Oppenheimer gehörte
zu den führenden Bankdienstleistern in der Subprime-Hypothekenbranche. Diese
Bankgeschäfte wären dem Unternehmen nie übertragen worden, wenn sein
lautstärkster Analyst Eisman nicht in der Lage gewesen wäre, sich positiv
darüber zu äußern. So sehr er es genoss, ineffizienten Unternehmen eine
Abreibung zu verpassen, so sehr hatte er verinnerlicht, dass die Vergabe von
Subprime-Krediten eine sinnvolle Ergänzung für die US-Wirtschaft war. Seine
Bereitschaft zu uncharmanten Äußerungen über manche Verbriefer von
Subprime-Hypotheken war in gewisser Hinsicht nützlich - verlieh sie doch seinen
Empfehlungen für andere mehr Glaubwürdigkeit.
Doch
nach Max' Tod legte Eisman eine deutlich ablehnendere Einstellung an den Tag -
und das auf eine Weise, die aus der Sicht seines Arbeitgebers finanziell
kontraproduktiv war. »Es war, als hätte er eine Witterung aufgenommen«,
schilderte Vinny. »Und er brauchte meine Hilfe, um herauszufinden, was da in
der Luft lag.« Eisman wollte einen Bericht schreiben, der im Grunde die gesamte
Branche verdammte, doch er musste dabei behutsamer vorgehen als sonst. »Man kann
sich auf der Verkaufsseite eine irrtümlich positive Empfehlung erlauben«,
erklärte Vinny. »Doch wer fälschlicherweise vom Verkauf abrät, der kann
einpacken.« Ein paar Monate zuvor waren brisante Informationen von Moody's
eingetroffen: Die Ratingagentur besaß und verkaufte inzwischen alle möglichen
neuen Daten über
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