Lewis, Michael
Ich
glaube, er brauchte nur handfeste Beweise zum Herabstufen der Aktien.«
Der
Bericht, den Eisman verfasste, disqualifizierte sämtliche Subprime-Kreditvergeber.
Er nahm sich ein Dutzend Gesellschaften vor und stellte ihre Täuschungsmanöver
bloß. »Hier sehen Sie den Unterschied«, erklärte er, »zwischen der Welt, die
sie Ihnen vorgaukeln, und den tatsächlichen Zahlen.« Die
Subprime-Gesellschaften wussten seine Mühe nicht zu schätzen. »Es herrschte
heller Aufruhr«, erzählte Vinny. »All die Subprime-Firmen riefen an und
blafften: >Sie liegen falsch. Ihre Daten stimmen nicht.< Und er blaffte
zurück: >Es sind verdammt noch mal Ihre Daten!<« Ein Grund dafür, dass Eismans Bericht so
viele vor den Kopf stieß, war, dass er die Gesellschaften nicht vorgewarnt
hatte. Damit hatte er ein Gesetz der Wall Street gebrochen. »Steve wusste
genau, was er da lostrat«, meinte Vinny. »Und er tat das ganz bewusst. Er
wollte es sich nicht ausreden lassen. Und genau das hätten all diese Leute
versucht, wenn er sie vorher gewarnt hätte.«
»Bis
dahin hatten wir die Darlehen nicht bewerten können, weil uns die Daten nicht
zur Verfügung standen«, meinte Eisman später. »Mein Name war mit dieser Branche
eng verflochten. Ich hatte meinen Ruf durch die Analyse dieser Aktien aufgebaut.
Wenn ich falsch lag, hätte das das Ende der Karriere von Steve Eisman
bedeutet.«
Eisman
veröffentlichte seinen Bericht im September 1997 - mitten in einer der größten
Aufschwungphasen in der US-Geschichte, wie es schien. Kein Jahr später wurde
Russland zahlungsunfähig, und ein Hedgefonds namens Long-Term Capital
Management ging pleite. In der anschließenden Flucht auf sicheren Boden wurde
den Subprime-Kreditgebern dieser ersten Generation das Kapital entzogen, und
prompt meldeten sie reihenweise Konkurs an. Ihr Scheitern wurde als
vernichtendes Zeugnis für ihre Bilanzierungsmethoden interpretiert, die es
ihnen ermöglicht hatten, unrealisierte Erträge auszuweisen. Soweit Vinny sagen
konnte, hatte vor ihm noch keiner richtig durchschaut, wie windig diese
Kredite in Wirklichkeit waren. »Dass dieser Markt so ineffizient war, gab mir
ein gutes Gefühl«, berichtete er.
»Denn
wenn der Markt wirklich alles registrierte, dann hätte ich den falschen Job
gehabt. Man hätte all dem undurchsichtigen Zeug ja nichts mehr hinzufügen
können. Wozu also die Mühe? Doch ich war, soweit ich wusste, der Einzige, der
sich mit Unternehmen beschäftigte, die mitten im größten Aufschwung, den ich zu
meinen Lebzeiten erleben würde, allesamt den Bach hinuntergingen. Ich hatte
erkannt, wie der Hase lief, und das war wirklich verrückt.«
Damals
zeigte sich erstmals, dass Eisman nicht einfach nur ein Zyniker war. Er sah die
Finanzwelt ganz anders, als sie sich selbst darstellte - und in einem weitaus
weniger schmeichelhaften Licht. Ein paar Jahre später hängte er seinen Job an
den Nagel und wechselte zu einem gigantischen Hedgefonds namens Chilton
Investment. Er hatte das Interesse daran verloren, den Leuten zu erklären, wo
sie ihr Geld anlegen sollten. Er dachte, es würde ihm mehr liegen, selbst
Kapital zu verwalten und es nach seinen eigenen Überzeugungen zu investieren.
Doch Chilton Investment ruderte nach seiner Einstellung zurück. »Das Problem
mit Steve war«, erklärte ein Kollege bei Chilton, »dass er zwar ein kluger Kopf
war - aber konnte er auch Aktien auswählen?« Chilton traute ihm das nicht zu
und ließ ihn wieder Unternehmen für die Kollegen analysieren, die dann die
Anlageentscheidungen trafen. Eisman gefiel das nicht, doch er beugte sich und
erfuhr dabei etwas, das ihn wie keinen anderen auf die Krise vorbereitete, die
sich da zusammenbraute. Er erfuhr, was auf dem Markt für Verbraucherkredite
wirklich vorging.
Inzwischen
schrieb man das Jahr 2002. Subprime-Kreditgeber gab es in Amerika keine mehr.
Es gab allerdings noch ein altgedientes großes Verbraucherkreditinstitut namens
Household Finance Corporation, das in den siebziger Jahren des 19.
Jahrhunderts gegründet worden war und in dieser Sparte seit langem die Nummer
eins war. Eisman glaubte, das Unternehmen zu kennen - bis er merkte, dass das
nicht stimmte. Anfang 2002 bekam er neue Vertriebsunterlagen von Household in
die Finger, in denen Wohnungsbaudarlehen angeboten wurden. Der Chef des
Unternehmens, CEO Bill Aldinger, hatte mit Household expandiert, während seine
Konkurrenten kollabierten. Die Amerikaner, die noch das Platzen der
Internetblase zu
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