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Lewis, Michael

Lewis, Michael

Titel: Lewis, Michael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: The Big Short
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verdauen hatten, waren eigentlich nicht in der Position, neue
Schulden zu machen. Dennoch vergab Household mehr Darlehen denn je. Eine
maßgebliche Quelle seines Wachstums waren Zweithypotheken. In dem Dokument
wurde ein festverzinsliches Darlehen mit 15 Jahren Laufzeit angeboten, das
jedoch seltsamerweise in Wirklichkeit ein verkapptes 30-jähriges Darlehen war.
Die Zahlungsströme der Eigenheimbesitzer an Household wurden genommen und
hypothetisch über 30 Jahre gestreckt. Dann wurde gefragt: Wenn Sie 30 Jahre
lang die gleichen Raten zahlen würden wie über 15 Jahre, wie sähe dann die
effektive Verzinsung aus? Das war ein völlig verqueres und unseriöses
Verkaufsargument. Dem Kreditnehmer wurde erzählt, er zahle einen »Effektivzins
von 7 Prozent«. Dabei waren es in Wirklichkeit eher 12,5 Prozent. »Das war ganz
eindeutig Betrug«, meinte Eisman. »Die Kunden wurden bewusst hinters Licht
geführt.«
    Eisman
brauchte nicht lange, um Kreditnehmer ausfindig zu machen, die sich
beschwerten, weil sie gemerkt hatten, dass sie geprellt worden waren. Er
durchforstete Provinzblätter aus dem ganzen Land. In der Stadt Bellingham im
US-Bundesstaat Washington - dem letzten größeren Ort vor der kanadischen Grenze
- stieß er auf einen Reporter namens John Stark, der für die Bellingham News schrieb. Vor Eismans
überraschendem Anruf hatte er einen kleinen Artikel über vier Bürger der
Gemeinde geschrieben, die sich von Household betrogen fühlten und einen Anwalt
gefunden hatten, der bereit war, das Unternehmen zu verklagen und die
Hypothekenverträge für nichtig zu erklären. »Ich war zunächst skeptisch«,
meinte Stark. »Ich dachte, wieder mal einer, der sich mit seinem Kredit
übernommen hat und jetzt zum Anwalt rennt. Meine Anteilnahme hielt sich in
Grenzen.« Als der Artikel erschienen war, zog er jedoch Kreise. Hunderte von Lesern
aus Bellingham und Umgebung wurden hellhörig und stellten daraufhin fest, dass
ihre 7-prozentige Hypothek in Wirklichkeit mit 12,5 Prozent verzinst war. »Die
Leute tauchten aus der Versenkung auf«, erzählte Stark. »Sie waren richtig
sauer. Viele von ihnen hatten noch gar nicht bemerkt, was da abgelaufen war.«
    Alle
sonstigen Punkte auf Eismans Tagesordnung wurden nach hinten geschoben. Er
widmete sich ganz dem Kreuzzug gegen die Household Finance Corporation. Er rief
Zeitungsreporter und andere Journalisten an und knüpfte Kontakte zur
Association of Community Organizations for Reform Now (ACORN). Damit war er
vermutlich der erste Mitarbeiter eines Wall-Street-Hedgefonds, der ein solches
Interesse an einer Organisation zeigte, die sich die Wahrung der Interessen
der weniger Betuchten auf die Fahne geschrieben hatte. Er sprach immer wieder
im Büro des Generalstaatsanwalts des Bundesstaates Washington vor. Was er dort
hörte, konnte er kaum glauben: Der Generalstaatsanwalt hatte gegen Household
ermittelt und war dann von einem Richter daran gehindert worden, die Ergebnisse
dieser Ermittlungen zu veröffentlichen. Eisman beschaffte sich eine Kopie
davon. Ihr Inhalt bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. »Ich fragte den
Mitarbeiter im Büro des Generalstaatsanwalts: >Warum nehmen Sie niemanden
fest?< Er entgegnete: >Das ist ein einflussreiches Unternehmen. Wer wird
im Bundesstaat Washington noch Kredite an Kunden mit niedriger Bonität
vergeben, wenn es dichtgemacht wird?< Ich erwiderte: >Glauben Sie mir,
die Leute werden scharenweise einfallen, um Kredite anzubieten<.«
    In
Wirklichkeit war es aber ein landesweites Problem. Household vertrieb diese
irreführenden Hypotheken im ganzen Land. Dennoch blieb die US-Regierung
untätig. Stattdessen erzielte Household Ende 2002 bei einer Sammelklage eine
außergerichtliche Einigung und erklärte sich zur Zahlung einer Geldbuße in
Höhe von 484 Millionen US-Dollar bereit, die über zwölf Bundesstaaten verteilt
werden sollte. Im Folgejahr gingen sie und ihr gigantisches Portfolio
minderwertiger Kredite für 15,5 Milliarden US-Dollar im britischen
Finanzkonzern HSBC Group auf.
    Eisman
war wirklich schockiert. »Diese Möglichkeit war mir nie in den Sinn gekommen«,
meinte er. »Schließlich handelte es sich dabei nicht um irgendein Unternehmen,
sondern um den größten Anbieter zweitklassiger Kredite, der zudem vorsätzlich
und in betrügerischer Absicht agierte. Eigentlich hätten sie den CEO
herauszerren und an seinen Eiern aufhängen sollen. Stattdessen verkauften sie
das Unternehmen, und der CEO verdiente daran noch Hunderte

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