Lewis, Michael
übertragen hätte - stritten die beiden Händler über jährliche
Zinszahlungen von 800 000 US-Dollar. Wegen dieser Summe kam das Geschäft nicht
zustande. Die gleiche kleinliche Auseinandersetzung hatte Hubler mit der
Deutschen Bank, allerdings mit einem Unterschied: Innerhalb der Deutschen Bank
verbreitete Greg Lippmann mittlerweile lautstark, dass diese AAA-CDOs eines
Tages keinen Cent mehr wert sein könnten. Also gestand die CDO-Maschinerie der
Deutschen Bank Hubler die verlangten 28 Basispunkte zu und tätigte mit ihm im
Dezember 2006 und im Januar 2007 zwei Abschlüsse über jeweils 2
Milliarden US-Dollar. »Als wir die Geschäfte machten, gaben wir uns beide die
ganze Zeit so, als ob wir sagen würden: >Wir wissen ja beide, dass es bei
der Sache kein Risiko gibt<«, erklärte der Mitarbeiter der Deutschen Bank,
der die Verhandlungen mit Hubler führte.
In
der merkwürdigen Schwebephase von Anfang Februar bis Juni 2007 ähnelte
der Markt einem gigantischen Fesselballon, der von gut einem Dutzend großer
Wall-Street-Unternehmen am Boden gehalten wurde. Jedes umklammerte das Seil,
aber nach und nach wurde ihnen klar, dass der Ballon sie letztlich mitreißen
würde, so fest sie auch ziehen mochten. Im Juni lockerte ein Unternehmen nach
dem anderen im Stillen seinen Griff. Auf Anordnung von CEO Jamie Dimon hatte J.
P. Morgan sich bereits im Spätherbst 2006 von diesem Markt zurückgezogen. Die
Deutsche Bank hatte dank Lippmann nur locker daran festgehalten. Als Nächstes
ließ Goldman Sachs nicht nur los, sondern machte eine Kehrtwende und
spekulierte in großem Umfang gegen den Subprime-Markt, was den fatalen Aufstieg
des Ballons weiter beschleunigte.*
* Der Zeitpunkt, an dem Goldman Sachs sich vom
Subprime-Markt zurückzog, ist interessant. Erheblich später behauptete das
Unternehmen, es habe diesen Schritt im Dezember 2006 vollzogen. Händler großer
Wall-Street-Firmen, die mit Goldman Sachs zu tun hatten, waren sich hingegen
sicher, dass das Unternehmen die Kehrtwende erst im Frühjahr und Frühsommer
2007 vollzog, nachdem der größte Subprime-Hypothekenkreditgeber der USA, New
Century, Konkurs angemeldet hatte. Sollte Goldman Sachs tatsächlich zu diesem
Zeitpunkt »Short« gegangen sein, würde es das Chaos erklären, das Mike Burry
und andere Ende Juni sowohl auf dem Subprime-Markt als auch bei Goldman Sachs
bemerkten. Goldman Sachs verließ das Haus erst, als es anfing zu brennen; das
Unternehmen war lediglich das erste, das zum Ausgang stürmte - und dann die Tür
hinter sich zuschlug.
Bei
Bear Stearns wurde die Leine zwangsweise gekappt, als seine Subprime-Hedgefonds
im Juni zusammenbrachen - und der Ballon hob immer weiter ab.
Nicht
lange zuvor, im April 2007, hatte Howie Hubler - vielleicht weil ihn Bedenken
wegen seiner hohen Einsätze in diesem Glücksspiel beschlichen - einen Handel
mit Ralph Cioffi vereinbart, der die vom Untergang bedrohten
Bear-Stearns-Hedgefonds leitete. Am 2. April hatte der größte
Subprime-Hypothekenkreditgeber der USA, New Century, nach einer Flut von
Kreditausfällen Konkurs angemeldet. Morgan Stanley wollte Cioffi von den
AAA-CDOs im Wert von 16 Milliarden US-Dollar einen Anteil von 6 Milliarden
US-Dollar verkaufen. Ihr Wert war leicht gesunken - Cioffi verlangte 40
Basispunkte (0,40 Prozent) über dem risikofreien Zinssatz. Hubler besprach sich
mit Morgan-Stanley-Präsidentin Zoe Cruz, und sie beschlossen, das
Subprime-Risiko lieber zu behalten, als einen Verlust von zig Millionen
US-Dollar hinzunehmen. Obwohl diese Entscheidung Morgan Stanley letztlich
nahezu 6 Milliarden US-Dollar kosten sollte, wurde Vorstandschef John Mack zu
keinem Zeitpunkt einbezogen. »Mack kam nie und redete mit Howie«, erklärte
einer der engsten Mitarbeiter Hublers. »Die ganze Zeit hatte Howie kein
einziges Gespräch mit Mack.«**
**Über die Gespräche zwischen Hubler und Cruz gibt es kontroverse
Schilderungen. Nach Darstellung von Mitarbeitern aus Zoe Cruz' engerem Umfeld
hatte sie rechtliche Bedenken, Geschäfte mit Bear Stearns' bedrängten
Hedgefonds zu machen; außerdem erklärte Hubler ihr nie vollständig, mit welchen
Risiken CDOs mit AAA-Rating behaftet waren, und verleitete sie zu dem Glauben,
Morgan Stanley drohten keine großen Verluste - vermutlich weil Hubler das
Risiko selbst nicht erkannte. Hublers Freunde behaupteten, Cruz habe effektiv
die Kontrolle über Hublers Geschäfte übernommen und ihn gehindert, einen
Großteil seiner AAA-CDOs loszuwerden.
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