Lewis, Michael
gleichzeitig an Kunden vermakelt, steht es
unter starkem Verdacht, seine Kunden für seine eigenen Zwecke zu benutzen.
Wall-Street-Unternehmen erklären gern, sie schüfen chinesische Mauern, um zu
verhindern, dass Informationen über das Kundengeschäft an ihre
Eigenhandelsabteilungen durchsickerten. Vincent Daniel von FrontPoint Partners
gab die prägnanteste Antwort auf diesen Vorwand: »Wenn ich »chinesische Mauen
höre, denke ich: Du bist ein verdammter Lügner.«
Howie
Hubler wollte aber nicht nur Mitarbeiter, sondern unbedingt auch die
Handelspositionen seiner Abteilung mitnehmen. Die Vorgänge waren in den Details
so kompliziert, dass selbst einer der Händler für Subprime-Hypothekenanleihen
bei Morgan Stanley erklärte: »Ich glaube nicht, dass einer von Howies
Vorgesetzten die Geschäfte, die er machte, völlig verstand.« Im Kern waren sie
jedoch ganz simpel: Hubler und seine Abteilung hatten in beträchtlichem Umfang
darauf gewettet, dass Subprime-Kredite platzen würden. Die Kronjuwelen ihrer
ausgeklügelten Handelspositionen waren nach wie vor die maßgeschneiderten
Credit Default Swaps über 2 Milliarden US-Dollar, denn Hubler war sicher, dass
sie schon sehr bald 2 Milliarden US-Dollar Reingewinn bringen würden. Die
Hypothekenkreditpools standen kurz vor den ersten Ausfällen, und sobald sie
einträfen, würde Hubler die vereinbarte Summe in voller Höhe ausgezahlt bekommen.
Allerdings
gab es ein nagendes Problem: Die laufenden Prämien auf die
Versicherungsverträge schmälerten die kurzfristigen Erträge, die Howies Team
erzielte. »Die Gruppe sollte 1 Milliarde US-Dollar im Jahr erwirtschaften«,
erklärte ein Mitarbeiter. »Und wir hatten diese Credit-Default-Swap-Position,
die uns 200 Millionen US-Dollar kostete.« Um die laufenden Kosten abzufangen,
beschloss Hubler, selbst Credit Default Swaps auf Subprime-CDOs mit AAA-Rating
zu verkau fen und Prämien zu kassieren.*
" Hier ist noch einmal der Hinweis angebracht, dass
man mit dem Verkauf eines Credit Default Swaps das gleiche finanzielle Risiko
eingeht, wie wenn man die betreffende Anleihe besäße. Wenn der Wert einer
Triple-A-CDO auf null fällt, ist der Verlust für den Verkäufer eines Credit
Default Swaps genauso hoch, als ob er diese CDO direkt gekauft hätte.
Problematisch
war allerdings, dass die Prämien für die mutmaßlich weitaus weniger riskanten
CDOs mit AAA-Rating nur ein Zehntel der Prämien für BBB-Papiere betrugen. Um an
Prämien ebenso viel einzunehmen, wie er bezahlte, musste er also annähernd
zehnmal so viele Credit Default Swaps verkaufen, wie er besaß. Genau das taten
er und seine Händler schnell und offenbar ohne sonderliche Diskussionen in etwa
einem halben Dutzend umfangreichen Geschäften mit Goldman Sachs, der Deutschen
Bank und einigen anderen.
Als
die gesamte Subprime-Hypothekenanleihenbranche Ende Januar 2007 in Las Vegas
zusammenkam, um sich bei einer Tagung zu feiern, hatte Howie Hubler Credit
Default Swaps auf CDO-Tranchen mit Note AAA im Wert von 16 Milliarden US-Dollar
verkauft. Noch nie hatte die Verblendung des Spitzenmannes unter den Wall-Street-Bondhändlern
und damit des gesamten Subprime-Hypothekenanleihenmarktes einen so deutlichen
Ausdruck gefunden: Von September 2006 bis Januar 2007 hatte der hochrangigste
Bondhändler bei Morgan Stanley praktisch für 16 Milliarden US-Dollar AAA-CDOs gekauft,
die ausschließlich aus Subprime-Hypothekenanleihen mit BBB-Rating bestanden
und wertlos wurden, sobald die ihnen zugrunde liegenden Subprime-Kreditpools
Ausfälle von etwa 12 Prozent erlitten. Er war clever genug, seinem Markt eine
zynische Einstellung entgegenzubringen, aber nicht clever genug, zu erkennen,
wie zynisch er hätte sein müssen. Bei Morgan Stanley stellte man sich offenbar
kaum die Frage, ob man den Spitzenmitarbeitern, die hohe Risiken eingingen,
erlauben sollte, Subprime-Hypothekenanleihen im Wert von 16 Milliarden
US-Dollar zu kaufen. Selbstverständlich musste Howie Hublers Eigenhandelsgruppe
sowohl das obere Management als auch das Risikomanagement über ihre Geschäfte
informieren, aber in den Berichten, die sie weiterleiteten, kaschierten sie das
Ausmaß des Risikos. Die Subprime-Risiken in Höhe von 16 Milliarden US-Dollar,
die Hubler eingegangen war, tauchten in Morgan Stanleys Risikoberichten in
einer Rubrik mit der Überschrift »Triple A« auf, was bedeutete, dass es sich
auch um US-Staatsanleihen hätte handeln können. Außerdem kamen sie noch in
einer
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