Lewis, Michael
es nannten, »Regale«
für ihre Subprime-Produkte, die so seltsame Namen trugen wie HEAT oder SAIL
oder GSAMP. Das erschwerte es dem breiten Publikum, zu erkennen, dass die
Emission dieser zweitklassigen Papiere von den namhaftesten Firmen der Wall
Street übernommen worden war.
Eisman
und sein Team kannten sowohl den US-Markt für Wohneigentum als auch die Wall
Street von Grund auf. Sie kannten die meisten Vergeber von Subprime-Krediten -
die Leute, die vor Ort die Darlehensverträge abschlossen. In vielen Fällen
waren es dieselben, die schon das Debakel Ende der neunziger Jahre
herbeigeführt hatten. Eisman neigte naturgemäß dazu, von allem, was Goldman
Sachs mit den Schulden von Amerikanern aus der unteren Mittelschicht anfing,
das Schlimmste anzunehmen. »Das muss man verstehen«, erzählte er, »Ich hatte
mich bereits mit dem Subprime-Geschäft befasst. Ich hatte schon das Übelste
erlebt. Diese Kerle logen das Blaue vom Himmel herunter. Ich hatte aus dieser
Erfahrung gelernt, dass es der Wall Street schnurzpiepegal war, was sie
verkaufte.« Nicht verstehen konnte er allerdings, wer diese aus der zweiten
Vergabewelle ramschiger Hypotheken resultierenden Anleihen kaufte. »Wir haben
von Anfang an gesagt: >Wenn wir das Zeug leerverkaufen, können wir
irgendwann ein Vermögen verdienen. Das wird alles irgendwann auf jeden Fall
zusammenkrachen. Die Frage ist nur, wie und wann.<«
Mit
»diesem Zeug« meinte Eisman die Aktien von Unternehmen, die Subprime-Kredite
vergaben. Aktienkurse reagierten mitunter äußerst unberechenbar: Er wollte erst
dann in Short-Position gehen, wenn es zu den ersten Ausfällen kam. Zu diesem
Zweck behielt Vinny genau im Auge, wie sich die amerikanischen Vergeber von
Subprime-Hypotheken verhielten. Am 25. jedes Monats liefen auf seinem Bildschirm
die Überweisungsberichte ein, und er prüfte sie, um jeden noch so kleinen
Anstieg der Ausfallquoten zu registrieren. »Nach den Papieren, die wir
verfolgten, zu urteilen«, meinte Vinny, »war die Kreditqualität nach wie vor
gut. Zumindest bis zum zweiten Halbjahr 2005.«
In
dem Nebel, der die ersten 18 Monate umwaberte, in denen Eisman sein eigenes
Unternehmen führte, hatte er eine Erleuchtung, einen konkreten Moment der
Erkenntnis, in dem ihm klar wurde, dass er etwas Offensichtliches übersehen
hatte. Da stand er nun und versuchte, zu entscheiden, welche Aktien er kaufen
sollte. Dabei hing das Geschick dieser Aktien immer mehr von den Anleihen ab.
Der Markt für Subprime-Hypotheken war so gewachsen, dass ihm jedes Finanzunternehmen
auf die eine oder andere Weise ausgesetzt war. »Die Rentenwelt stellte die
Aktienwelt in den Schatten«, sagte Eisman. »Die Aktienwelt ist im Vergleich zur
Rentenwelt nur ein Pickel.« Praktisch jede große Investmentbank an der Wall
Street wurde de facto durch ihre Rentenabteilung gesteuert. In den meisten
Fällen war auch der CEO ein ehemaliger Rentenmann - Dick Fuld bei Lehman
Brothers, John Mack bei Morgan Stanley, Jimmy Cayne bei Bear Stearns. Seit den
achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als das führende Rentenunternehmen
Salomon Brothers so viel Geld verdient hatte, dass es in einer ganz anderen
Liga spielte als die Mitbewerber, war es der Rentenmarkt gewesen, auf dem das
große Geld gemacht wurde. »Das war die goldene Regel«, sagte Eisman. »Die
Leute, die das Gold haben, machen die Regeln.«
Die
wenigsten erkannten, wie das, was auf einen zwei Jahrzehnte währenden Boom auf
dem Rentenmarkt hinauslief, alles andere unter sich begraben hatte. Eisman
hatte das zunächst auch nicht bemerkt - bis jetzt. Und nun musste er schnellstens
so viel wie möglich über den Rentenmarkt in Erfahrung bringen. Er hatte Pläne
mit dem Rentenmarkt. Was er nicht wusste.- Der Rentenmarkt hatte auch Pläne mit
ihm. Er grub an einem Loch, in das Eisman genau hineinpasste.
Kapitel 2
Unter Blinden
Der Unterschied zwischen einem Gespräch und einem
Engagement besteht darin, ob ein Scheck ausgestellt wird.
Warren Buffett
Anfang
2004 befasste sich ein anderer Aktienmarktinvestor erstmals näher mit dem
Rentenmarkt: Michael Burry. Er sog alle Informationen darüber in sich auf, wie
Geld in Amerika ge- und verliehen wurde. Er sprach mit niemandem über diese
neue Obsession. Er saß allein in seinem Büro im kalifornischen San Jose und las
Bücher, Artikel und Finanzunterlagen. Besonders interessierte er sich dafür,
wie Subprime-Hypothekenanleihen funktionierten. Dafür wurde eine gigantische
Zahl von
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