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Lewis, Michael

Lewis, Michael

Titel: Lewis, Michael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: The Big Short
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Millionen
US-Dollar. Ich dachte nur: Mann! Das hätte eigentlich ganz anders ausgehen müssen.« Sein
kritischer Blick auf die Hochfinanz war zunehmend politisch eingefärbt.
»Damals erkannte ich allmählich die gesellschaftlichen Auswirkungen«, erklärte
er. »Würde man ein Regulierungssystem von Grund auf neu entwickeln, müsste
dieses so beschaffen sein, dass es Menschen mit mittleren und niedrigeren
Einkommen schützt, weil genau für sie die Gefahr am größten ist, abgezockt zu
werden. Wir dagegen hatten ein System, das diesen Menschen am wenigsten Schutz
bot.«
    Mittwochs
verließ Eisman stets mittags das Büro und ging zu Midtown Comics, denn dann
trafen dort die neuesten Hefte ein. Über die verschiedenen Superhelden wusste
er mehr als jeder andere Erwachsene. So kannte er den Schwur der grünen
Laterne auswendig und wusste besser, was in Batman vorging, als der
Fledermausheld selbst. Bevor sein Sohn starb, hatte Eisman die
Erwachsenenfassungen der bunten Comics gelesen, die er als Kind verschlungen
hatte - sein Favorit war Spider-Man gewesen. Inzwischen las er nur noch die düstersten Erwachsenencomics
und bevorzugte solche, die bekannte Märchenmotive aufgriffen und diese, ohne
die Grundzüge zu verändern, neu aufbereiteten. Dadurch wirkten die Geschichten
nicht mehr so vertraut und waren keine richtigen Märchen mehr. »Die Kunst ist,
eine Geschichte so zu erzählen, dass sie genau wiedergibt, was sich ereignet
hat«, wie er es formulierte, »und doch ganz anders ist. Dadurch bekommt man
einen ganz neuen Blick auf frühere Episoden.« Ihm gefiel es, wenn sich die
Beziehung zwischen Schneewittchen und den sieben Zwergen spannungsreicher
gestaltete. Und nun wurde vor seinen Augen auf den Finanzmärkten ein Märchen
umgeschrieben. »Ich untersuchte genauer, was es mit einer Subprime-Hypothek eigentlich
auf sich hatte«, berichtete er. »Ein Subprime-Autokredit ist in gewisser
Hinsicht ein ehrliches Geschäft, denn er ist festverzinslich. Vielleicht
fallen dafür hohe Gebühren an, die den Kreditnehmer Kopf und Kragen kosten,
doch zumindest weiß er, worauf er sich einlässt. Eine Subprime-Hypothek dagegen
war Betrug. Dabei warb man im Grunde Kunden an, indem man ihnen erzählte:
>Mit diesem einen Darlehen lösen Sie alle Ihre anderen Kredite ab -
Kreditkartenschulden, Autokredite. Und noch dazu zu einem so niedrigen
Zins!< Doch der niedrige Zinssatz war nicht der, den man in Wirklichkeit
zahlte, er war nur ein Lockangebot.«
    Während
Eisman sich in das Household-Thema vertiefte, nahm er an einem Mittagessen
teil, das von einem großen Wall-Street-Unternehmen veranstaltet wurde.
Gastredner war Herb Sandler, Chef einer großen Spar- und Darlehenskasse namens
Golden West Financial Corporation. »Er wurde gefragt, ob er an das Modell
kostenloser Girokonten glaubte«, erinnerte sich Eisman. »Und er entgegnete: >Schalten
Sie mal Ihre Aufnahmegeräte ab.< Alle kamen seiner Bitte nach. Da erklärte
er, dass sein Unternehmen kostenlose Girokonten deshalb vermied, weil sie in
Wirklichkeit eine Kostenfalle für Finanzschwache darstellten - in Form der
berechneten Überziehungszinsen. Banken mit solchen Modellen setzten im Grunde darauf,
ärmeren Kunden noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen als durch Kontoführungsgebühren.«
    Eisman
fragte: »Interessieren sich die Regulierungsbehörden denn nicht dafür?«
    »Nein«,
erwiderte Sandler.
    »Damals
kam ich zu dem Schluss, dass das System tatsächlich darauf ausgerichtet war,
den kleinen Mann abzuzocken.«
     
    In
seiner Jugend war Eisman bekennender Republikaner gewesen. Er trat
konservativen, rechtsgerichteten Organisationen bei, stimmte zweimal für Reagan
und mochte sogar Robert Bork. Seltsamerweise driftete seine politische
Einstellung erst an der Wall Street nach links. Die ersten kleinen Schritte hin
zur Mitte des politischen Spektrums führte er auf die Beendigung des Kalten
Krieges zurück. »Ich stand nicht mehr zu 100 Prozent zu den Werten der Rechten,
weil es keine Grundlage mehr dafür gab.« Damals strich Household-CEO Bill
Aldinger seine 100 Millionen US-Dollar ein. Eisman war auf dem besten Wege, der
erste Sozialist auf dem Finanzmarkt zu werden. »Als konservativer Republikaner
geht man einfach nicht davon aus, dass Menschen damit ihr Geld verdienen, ihre
Mitmenschen übers Ohr zu hauen«, sagte er. Doch inzwischen zog er diese
Möglichkeit durchaus in Betracht. »Mir war klar geworden, dass es da eine ganze
Branche gab, nämlich die

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