Lewis, Michael
deutlich gemacht, dass der Endverkäufer nicht Goldman Sachs selbst
war. Goldman Sachs war nur Mittelsmann zwischen Sicherungsnehmer und
Sicherungsgeber und strich dafür ein Honorar ein.
Die
Bereitschaft dieses ominösen Geschäftspartners, ihm für billiges Geld so hohe
Beträge zu versichern, brachte Mike Burry auf eine neue Idee: die Gründung
eines Fonds nämlich, der nur Versicherungen für Subprime-Hypothekenanleihen
aufkaufen würde. Für einen 600 Millionen US-Dollar schweren Fonds, der sich
eigentlich mit der Auswahl einzelner Aktien befassen sollte, war sein Einsatz
bereits astronomisch hoch. Doch wenn er Kapital explizit für diese neue Verwendung
einwarb, könnte er noch mit ganz anderen Milliardenbeträgen hantieren. Im
August verfasste er ein Konzept für einen Fonds, den er Milton's Opus nannte,
und unterbreitete ihn seinen Investoren. (»Die erste Frage war stets: >Was
ist Milton's Opus?<« Er antwortete dann: »Paradise Lost«, was jedoch meist nur weitere
Fragen zur Folge hatte.) Viele seiner Investoren hatten noch gar nicht gemerkt,
wie sehr ihr Meister-Stockpicker diesen esoterischen Versicherungspolicen
namens Credit Default Swaps verfallen war. Viele wollten damit nichts zu tun
haben. Manche fragten sich, ob das bedeutete, dass er ihr Kapital bereits für
solche Investments verwendete.
Statt
mehr Kapital locker zu machen, damit er Credit Default Swaps auf zweitklassige
Hypothekenanleihen kaufen konnte, hatte er am Ende Probleme, das bereits
eingezahlte Kapital zu halten. Seine Investoren ließen ihn gern Aktien für sie
auswählen, zweifelten jedoch an seinen Fähigkeiten, maßgebliche makroökonomische
Trends zu prognostizieren. Und keinesfalls verstanden sie, wieso er über
besondere Erkenntnisse über den viele Billionen US-Dollar schweren Markt für
minderwertige Hypothekenanleihen verfügen sollte. Milton's Opus starb einen
schnellen Tod.
Im
Oktober 2005 legte Burry in seinem Investorenbrief schließlich alle seine
Karten auf den Tisch und teilte mit, dass er mindestens für eine Milliarde
US-Dollar Credit Default Swaps auf Subprime-Hypothekenanleihen hielt.
»Manchmal liegt der Markt total falsch«, schrieb er.
So
irrte sich der Markt zum Beispiel, als er America Online mit den Zahlungsmitteln
zum Kauf von Time Warner ausstattete. Er irrte, als er gegen George Soros
wettete und auf das Britische Pfund setzte. Und jetzt irrt er sich wieder, weil
er weitermacht, als hätte es die schlimmste Kreditblase der Geschichte nie
gegeben. Chancen sind rar, und aussichtsreiche Gelegenheiten, bei denen man
nahezu unbegrenzt Kapital einsetzen kann, um damit ernorme potenzielle Erträge
zu erzielen, sind noch seltener. Das gezielte Eingehen von Short-Positionen in
den heikelsten hypothekenunterlegten Wertpapieren der Geschichte stellt
zurzeit eine solche Gelegenheit dar.
Im
zweiten Quartal 2005 erreichten die Ausfälle von Kreditkartenforderungen ein
historisches Hoch - obwohl die Häuserpreise kräftig angezogen hatten. Das
bedeutete, dass die Amerikaner, obwohl sie Kreditsicherheiten in Form solcher
Vermögenswerte aufweisen konnten, so große Probleme hatten wie nie zuvor,
ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die Federal Reserve hatte die Zinssätze
angehoben, doch die Hypothekenzinsen fielen weiter, denn der Wall Street fielen
immer cleverere Möglichkeiten zur Geldaufnahme ein. Burry hatte mittlerweile eine
Wette über eine Milliarde US-Dollar laufen. Weiter konnte er nicht gehen, ohne
deutlich mehr Kapital aufzutreiben. Daher beschränkte er sich darauf, seinen
Investoren die Lage darzulegen: Der US-Markt für Hypothekenanleihen war riesig
- größer als der Markt für kurz- und langfristige US-Schatzpapiere. Die gesamte
Wirtschaft hing von seiner Stabilität ab und diese wiederum von weiter
steigenden Häuserpreisen. »Es ist lächerlich, anzunehmen, dass man Blasen bei
Vermögenspreisen erst rückblickend erkennen kann«, schrieb er. »Es gibt
bestimmte eindeutige Merkmale, die sehr gut auszumachen sind, während sich eine
Blase aufbläht. Ein klares Anzeichen für eine Manie ist der rasche Anstieg von
immer komplexeren Betrugsfällen ... Das FBI berichtet von einer Zunahme der
Betrügereien im Hypothekenbereich um das Fünffache seit 2000.« Fehlverhalten
kam nicht mehr nur am Rande einer ansonsten soliden Wirtschaft vor. Vielmehr
war sie ihr grundlegendes Charakteristikum. »Der Knackpunkt bei der modernen
Ausprägung von Betrug im Immobiliensegment ist, dass er fester Bestandteil
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