Lewis, Michael
beispielsweise eine
Überschwemmung bevorstand, das Gebäude aber noch nicht zerstört war -, wollte
er, dass Goldman Sachs und die Deutsche Bank entsprechende Sicherheiten
stellten, die dem gestiegenen Wert dessen entsprachen, was man ihm schuldete.
Am
19. Mai 2005 - einen Monat vor der endgültigen Festlegung der Konditionen -
tätigte Mike Burry seine ersten Transaktionen mit zweitklassigen Hypotheken. Er
kaufte für 60 Millionen US-Dollar Credit Default Swaps von der Deutschen Bank
- jeweils 10 Millionen US-Dollar für sechs verschiedene Anleihen.
»Referenzpapiere« hießen diese. Man versicherte sich nämlich nicht gegen den
gesamten Subprime-Hypothekenanleihenmarkt, sondern gegen eine bestimmte
Anleihe, und Burry hatte sich viel Mühe gegeben, genau diejenigen auszusuchen,
gegen die er spekulieren wollte. Er hatte dutzendweise Prospekte gelesen und
Hunderte weiterer überflogen, um die fragwürdigsten Hypothekenbündel ausfindig
zu machen, und war selbst da noch relativ (und später sogar hundertprozentig)
sicher, dass er der Einzige weit und breit war, der das tat - abgesehen von den
Anwälten, die die Dokumente aufgesetzt hatten. Damit war er vermutlich auch der
einzige Investor, der solche Eigenheimhypotheken genau den traditionellen
Bankkreditanalysen unterzog, die eigentlich vor ihrer Vergabe angezeigt gewesen
wären. Doch er agierte diametral entgegengesetzt zu einem altmodischen
Bankier, denn er war nicht auf die besten Kredite aus, sondern auf die
schlechtesten - damit er sich konträr positionieren konnte.
Er
analysierte die jeweils anteilige Bedeutung der Beleihungsquoten von
Eigenheimdarlehen, der Zweitpfandrechte an den Immobilien, des Standorts der
Häuser, des Fehlens von Kreditdokumentation und Einkommensnachweisen der
Kreditnehmer und rund ein Dutzend weiterer Faktoren zur Bestimmung der
Wahrscheinlichkeit, mit der ein in Amerika um 2005 vergebener Eigenheimkredit
ausfallen würde. Dann sah er sich nach den Anleihen um, denen die faulsten
Darlehen zugrunde lagen. Es überraschte ihn, dass es der Deutschen Bank
offenbar egal war, gegen welche Anleihen er wetten wollte. Soweit er sagen
konnte, schoren sie alle minderwertigen Hypothekenanleihen über einen Kamm.
Was die Versicherung kosten sollte, richtet sich nicht nach unabhängigen
Analysen, sondern nach Ratings der Anleihen, die von den Ratingagenturen
Moody's und Standard & Poor's*
* Die beiden größten Ratingagenturen bedienten sich einer
geringfügig unterschiedlichen Terminologie, um dasselbe zu vermitteln. Was bei
Standard & Poor's die Note AAA ist, ist bei Moody's Aaa. Beide Bezeichnungen
beziehen sich auf eine Anleihe, die mit niedrigstem Ausfallrisiko behaftet ist.
Der Einfachheit halber verwendet der vorliegende Text ausschließlich die
S&P-Bezeichnung - also AAA und so weiter.
2008, als sich die Ratings einer enormen Zahl von Subprime-abhängigen
Anleihen als wertlos erwiesen, wurde um die sich daraus ergebenden Aussagen
heiß diskutiert. Die Investoren an der Wall Street hatten sie lange als
Darstellung der Ausfallwahrscheinlichkeit ausgelegt. So standen die Chancen,
dass eine mit AAA bewertete Anleihe im ersten Jahr ihres Bestehens ausfiel, in
der Vergangenheit unter 1 zu 10000. Bei einem mit AA bewerteten Schuldtitel -
der nächstbesten Note - lag die Wahrscheinlichkeit nicht einmal bei 1 zu 1000.
Eine mit BBB bewertete Anleihe wies ein Ausfallrisiko von 1 zu 500 auf. 2008
behaupteten die Ratingagenturen, dass sie ihre Ratings nie als so exakte
Maßzahlen verstanden wissen wollten. Ratings seien lediglich ihre möglichst
fundierte Einschätzung der Rangordnung nach Risikolage.
vergeben
worden waren.
Wollte
er eine vorgeblich risikolose, mit AAA benotete Anleihe versichern, zahlte er
dafür vielleicht 20 Basispunkte (0,20 Prozent). Für die riskanteren, mit A
bewerteten Tranchen fielen möglicherweise 50 Basispunkte (0,50 Prozent) an.
Und die noch unsichereren, mit BBB bewerteten Tranchen schließlich schlugen mit
200 Basispunkten zu Buche - also 2 Prozent. (Ein Basispunkt ist ein
hundertstel Prozentpunkt.) Ihn interessierten die BBB-Tranchen, deren Wert auf
null fallen würde, wenn der zugrunde liegende Hypothekenpool nur 7 Prozent
Verlust verbuchte. Das hielt er für eine ausgesprochen konservative Strategie,
die er durch Analysen zusätzlich absicherte. Schon ein flüchtiger Blick auf die
Prospekte verriet, dass zwischen den einzelnen BBB-Anleihen eklatante
Unterschiede bestanden - zum Beispiel der Anteil der
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