Lewis, Michael
Papiere verkaufen, dann können wir Ihnen sagen, was wir
dafür zahlen.«
Greg
Lippmann von der Deutschen Bank wollte seine milliardenschweren Credit Default
Swaps aufkaufen! »Danke für Ihr Interesse, Greg«, entgegnete Burry. »Im Moment
haben wir keinen Bedarf.« Er unterzeichnete und dachte: Wie komisch, seit fünf Monaten
habe ich nichts mehr mit der Deutschen Bank zu tun gehabt. Woher weiß Greg
Lippmann überhaupt, dass ich so viele Credit Default Swaps halte?
Drei
Tage später meldete sich Goldman Sachs. Die für ihn zuständige
Vertriebsmitarbeiterin Veronica Grinstein rief ihn per Handy an. Das tat sie,
wenn sie nicht wollte, dass das Gespräch aufgezeichnet wurde. (Mittlerweile
wurden an der Wall Street sämtliche Anrufe aus den Handelsabteilungen
mitgeschnitten.) »Ich möchte Sie um einen großen Gefallen bitten«, sagte sie.
Auch sie wollte einen Teil seiner Credit Default Swaps kaufen. »Das Management
ist in Sorge«, erzählte sie. Man befürchtete, dass die Trader diese ganzen
Versicherungen verkauft hatten, ohne dass es einen Markt gab, auf dem man sie
wie der zurückkaufen konnte. Ob Mike Burry ihnen wohl - zu einem großzügigen
Preis - solche Papiere auf Subprime-Hypothekenanleihen seiner Wahl im Wert von
25 Millionen US-Dollar verkaufen würde? Nur, um das Management von Goldman zu
beruhigen, wissen Sie. Nachdem er aufgelegt hatte, folgte er seinem Gefühl und
versuchte, bei der Bank of America noch ein paar solcher Papiere zu erstehen.
Vergeblich. Auch dort war man auf Einkaufstour. Als Nächstes kam Morgan Stanley
- wiederum völlig unerwartet. Er hatte mit Morgan Stanley geschäftlich nie viel
zu tun gehabt, doch offenbar wollte auch Morgan Stanley kaufen, was er
anzubieten hatte. Er wusste nicht genau, warum all diese Banken plötzlich
unbedingt Versicherungen für minderwertige Hypothekenanleihen erstehen wollten,
doch es gab einen ganz offensichtlichen Grund: Die Zahl der Kreditnehmer, die
ihre Raten nicht bezahlen konnten, nahm alarmierend zu. Noch im Mai hatte Mike
Burry auf seine Theorie des menschlichen Verhaltens gesetzt: Die Darlehen
waren so strukturiert, dass sie einfach ausfallen mussten. Und jetzt, im
November, war es offenbar so weit.
Am
nächsten Morgen schlug Burry das Wall Street Journal auf und stieß auf einen
Artikel darüber, dass die neue Welle zinsvariabler Hypotheken in den ersten
neun Monaten in nie da gewesenem Tempo zerbarst. Den Amerikanern der unteren
Mittelschicht ging das Geld aus. Es gab sogar eine kleine Grafik für Leser, die
nicht die Zeit hatten, den ganzen Artikel zu lesen. Jetzt ist die Katze aus dem
Sack, dachte Burry. Die Welt wird sich verändern. Kreditgeber werden ihre Kriterien
verschärfen, Ratingagenturen werden genauer hinschauen, und kein Händler, der
noch bei Verstand war, würde noch Versicherungen gegen den Ausfall
minderwertiger Hypotheken zu den gehabten Preisen anbieten. »Meines Erachtens
sollte jetzt die Erkenntnis einsetzen, und ein cleverer Kreditspezialist sollte
sagen: >Seht zu, dass ihr aus diesem Geschäft rauskommt.<«, erzählte er.
Die meisten Trader an der Wall Street standen vor empfindlichen Verlusten - mit
einer Ausnahme vielleicht. Mike Burry hatte gerade wieder eine E-Mail von
einem seiner Investoren erhalten, in der es hieß, die Deutsche Bank sei
möglicherweise von seiner tendenziösen Sicht der Finanzmärkte beeinflusst
worden: »Kürzlich kam der Cheftrader [für Subprime-Hypotheken] Greg Lippmann zu
uns«, las Burry. »Er teilte uns mit, er sei mit einer Milliarde US-Dollar in
Short-Position und würde >damit einen Haufen Geld machen< (oder etwas in
der Art). Sein Überschwang war fast ein bisschen beunruhigend.«
Kapitel 3
»Wie kann einer lügen, der die Sprache überhaupt nicht
beherrscht?«
Als
Greg Lippmann im Februar 2006 im Konferenzraum von Front-Point auftauchte,
wusste Steve Eisman genug über den Rentenmarkt, um skeptisch zu sein. Vincent
Daniel seinerseits wusste so viel, dass er zu der Überzeugung gelangt war, dass
in diesem Segment niemandem zu trauen war. Wenn sich ein Investor vom Aktien-
auf den Rentenmarkt verlegte, war er wie ein kleines Pelztier, das auf einer Insel
ohne Raubtiere aufgewachsen ist und dann in eine Grube voller Pythons geworfen
wird. Man konnte von den großen Wall-Street-Firmen zwar auch auf dem
Aktienmarkt über den Tisch gezogen werden, doch nicht so ohne Weiteres. Der
gesamte Handel lief über den Bildschirm, sodass man immer eine klare
Vorstellung vom
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