Lewis, Michael
höchst
ausgeprägtes Interesse daran hatten. Bis dieser Markt ausgereift war, hatte es
allerdings Jahre gedauert. Der neue Markt dagegen sollte innerhalb weniger
Monate den Betrieb aufnehmen und Risiken in Höhe von zig Milliarden US-Dollar
verschieben.
Was
Mike Burry in erster Linie benötigte, um größere Mengen minderwertiger
Hypothekenpapiere zu versichern, war eine Art weithin anerkannter Standardvertrag.
Wer immer ihm einen Credit Default Swap auf eine Subprime-Hypothekenanleihe
verkaufte, würde ihm eines Tages eine Menge Geld schulden. Er argwöhnte, dass
die Händler versuchen könnten, sich vor der Zahlung zu drücken. Ein Vertrag
würde ihnen das erschweren. Und Burry könnte gleichzeitig das, was er bei dem
einen Händler erworben hatte, leichter an einen Dritten weiterveräußern - und
sich so den günstigsten Preis sichern. Eine Organisation namens International
Swaps and Derivatives Association (ISDA), die internationale Vereinigung der
Swap- und Derivatehändler, die mit dem Ziel gegründet wurde, verbindliche
Vorschriften für den Handel mit Derivaten festzulegen, sollte die Konditionen
für diese neuen Wertpapiere offiziell festschreiben.*
* Die ISDA wurde bereits 1986 gegründet - von meinen Chefs
bei Salomon Brothers, um mit dem unmittelbaren Problem einer Innovation namens
Zins-Swap zurande zu kommen. Was für die Beteiligten nach einem einfachen
Handelsgeschäft aussah - ich zahle dir einen festen Zinssatz, und du zahlst mir
im Gegenzug einen variablen -, verlangte am Ende nach einem Wust an
Vorschriften. Diesen Regelungen lag schlicht die Angst zugrunde, dass die
Partei auf der einen Seite des Zins-Swaps eines Wallstreet-Unternehmens
pleitegehen und ihren Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Der Zins-Swap
setzte die Wall-Street-Firmen ebenso wie der Kreditausfall-Swap auf ganz neue
Weise den Bonitätsrisiken anderer Leute aus - und die anderen Leute den
Bonitätsrisiken der Wall-Street-Akteure.
Die
ISDA verfügte bereits über ein Regelwerk zur Regulierung von Credit Default
Swaps auf Unternehmensanleihen, doch die Versicherung einer Unternehmensanleihe
war im Grunde eine recht simple Angelegenheit. Da gab es ein Ausfallereignis,
das entweder eintrat oder nicht. Wenn das Unternehmen eine Zinszahlung versäumte,
musste gezahlt werden. Vielleicht erhielt der Käufer der Versicherungspolice
nicht die ganzen 100 Cent auf den Dollar - wie auch der Anleiheninhaber
vielleicht nicht 100 Cent auf den Dollar verlor, da die Vermögenswerte des
Unternehmens ja einen gewissen Wert hatten - doch ein unabhängiger Richter
konnte auf eine in aller Regel faire und zufriedenstellende Art und Weise
darüber befinden, wie hoch die Wiedereinbringung war. Erhielt ein
Anleiheinhaber 30 Cent pro Dollar - und erlitt folglich 70 Cent Verlust - bekam
der Käufer des Credit Default Swaps 70 Cent.
Der
Erwerb einer Versicherung für einen Pool von US-Eigenheimhypotheken war
weitaus komplizierter, denn die gebündelten Darlehen fielen ja nicht komplett
aus. Vielmehr wurden jeweils nur einzelne Eigenheimbesitzer zahlungsunfähig.
Die Händler - allen voran die Deutsche Bank und Goldman Sachs - dachten sich
eine clevere Lösung aus: den Pay-as-you-go-Kreditausfall-Swap, der bei Bedarf
abgerufen und bezahlt wurde. Wer so einen Swap erwarb - und damit
Versicherungsschutz -, würde für den Fall, dass der gesamte Hypothekenpool
abschmierte, nicht die ganze Zahlung auf einmal erhalten, sondern nach und nach
- immer dann, wenn einzelne Eigenheimbesitzer ihre Raten nicht mehr zahlen
konnten.
Bis
der ISDA-Vertrag stand, gab es ein monatelanges Hickhack zwischen Anwälten und
Tradern der großen Wall-Street-Firmen, die den Markt betreiben würden. Burrys
Anwalt Steve Druskin durfte aus guten Gründen Telefongespräche mithören und
sich sogar hin und wieder einschalten und den Kunden von der Wall Street seine
Sicht der Dinge schildern. In der Vergangenheit hatten sich Wall-Street-Unternehmen
um die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden gesorgt. Die Kunden dagegen gingen
stillschweigend davon aus, dass das Kasino in der Lage war, Gewinne auch
auszuzahlen. Diese Überzeugung fehlte Mike Burry. »Ich spekuliere ja nicht
gegen eine Anleihe«, sagte er, »sondern gegen ein System.« Er wollte bei Goldman
Sachs keine Hochwasserversicherung abschließen, um festzustellen, dass Goldman
Sachs fortgespült wurde, wenn die Flut dann kam, und ihm nichts zahlen konnte.
Wenn sich der Vertragswert der Versicherung änderte - wenn
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