Lewis, Michael
Regulierungsbehörden
an die Öffentlichkeit gelangte und der Kurs zusammengebrochen war, abgestoßen
hatte.
In
den darauffolgenden sechs Monaten scheffelte das Unternehmen weiterhin Geld.
Es nahm für sich in Anspruch, nichts Falsches getan zu haben, behauptete, dass
die Regulierungsbehörden unberechenbar und launisch seien. Außerdem gebe es
keine Sonderabschreibungen auf ihr 20-Milliarden-US-Dollar-Portfolio mit minderwertigen
Krediten. Ihr Aktienkurs blieb jedoch im Keller. Charlie und James befassten
sich ausgiebig mit diesem Fall, das bedeutete, sie nahmen an Fachtagungen teil
und riefen alle möglichen Leute an, mit denen sie ansonsten nichts zu tun
hatten, um ihnen entsprechende Informationen aus der Nase zu ziehen:
Leerverkäufer, ehemalige Mitarbeiter von Capital One, Unternehmensberater, die
für Capital One tätig gewesen waren, Mitbewerber und sogar Beamte der Regulierungsbehörden.
»Uns wurde klar«, berichtete Charlie, »dass es da draußen nur spärliche
Informationen gab und dass die anderen auch nicht mehr wussten als wir.« Sie
kamen jedenfalls zu dem Schluss, dass Capital One doch über die besseren
Instrumente für die Vergabe fragwürdiger Kredite verfügen müsse, weshalb sich
ihnen nur eine Frage stellte: Saßen an der Unternehmensspitze etwa Gauner?
Es war
mit Sicherheit nicht die Aufgabe von zwei Möchtegern-Investoren Anfang 30 aus
Berkeley, Kalifornien, die über ein mit 110 000 US-Dollar gefülltes
Schwab-Konto verfügten, diese Frage zu klären. Nichtsdestotrotz versuchten sie
sich genau daran. Sie machten sich auf die Jagd nach ehemaligen Kommilitonen
von Richard Fairbank, dem CEO von Capital One, und legten Dossiers an. Jamie
wälzte die eingereichten Finanzunterlagen von Capital One, weil er einen guten
Grund brauchte, um mit einem Mitarbeiter ein Treffen zu vereinbaren. »Wenn wir
einfach um einen Termin mit dem CEO geben hätten, hätten wir den niemals
bekommen«, erklärte mir Charlie. Schließlich stießen sie auf Peter Schnall, der
zwar keine hohe Position im Unternehmen bekleidete, doch als stellvertretender
Leiter für das Portfolio minderwertiger Kredite zuständig war. »Ich hatte den
Eindruck, als sei es ihnen egal, wer sich nach Peter Schnall erkundigt. Denn
als wir um ein Gespräch mit ihm baten, hieß es nur lapidar: >Weshalb denn
nicht?<« Sie stellten sich allen Ernstes als die Geschäftsführer von
Cornwall Capital vor, verschwiegen aber tunlichst, wer oder was denn genau
Cornwall Capital sei. »Irgendwie ist das schon witzig«, meinte Jamie. »Niemand
fühlt sich wohl, wenn er sich nach Ihrer Finanzlage erkundigen soll, und
deshalb fragt auch niemand danach.«
Sie
baten Schnall um ein persönliches Gespräch, da sie noch ein paar Fragen klären
wollten, bevor sie eine Investition tätigten. »Im Grunde genommen wollten wir
nur eines herausfinden: War Schnall ein Betrüger oder nicht?« Schnall wirkte
absolut überzeugend. Interessanterweise kaufte er Aktien seiner eigenen Firma.
Sie beendeten die Besprechung in dem Gefühl, dass der Streit von Capital One
mit den Regulierungsbehörden nur heiße Luft sei und dass es sich bei Capital
One im Grunde um ein seriöses Unternehmen handele. »Wir kamen zu dem Schluss,
dass dort eventuell Gauner am Werk waren«, meinte Jamie, »vielleicht aber auch
nicht.«
Was
als Nächstes - beinahe rein zufällig - geschah, führte zu ihrem mehr als
ungewöhnlichen Vorstoß auf die Finanzmärkte, der schon bald darauf ihre Kasse
klingeln ließ. In den sechs Monaten, die auf das Bekanntwerden der
Schwierigkeiten von Capital One mit den Regulierungsbehörden folgten,
pendelten die Aktien von Capital One um 30 US-Dollar pro Stück. Diese
vermeintliche Stabilität war die offensichtliche Tarnung einer tief sitzenden
Unsicherheit. 30 US-Dollar je Aktie war mit Sicherheit nicht der »angemessene«
Preis für Capital One. Das Unternehmen handelte entweder in betrügerischer
Absicht, in diesem Fall waren die Aktien wohl keinen Cent wert, oder aber
Capital One war tatsächlich so ehrlich, wie Charlie und Jamie vermuteten, dann
waren die Aktien jeweils rund 60 US-Dollar wert. Jamie Mai hatte soeben erst
das Buch Auch
Sie haben das Zeug zum Börsengenie von Joel Greenblatt gelesen. Das ist übrigens genau
der Greenblatt, der sich an Mike Burrys Hedgefonds beteiligt hatte. Im
vorletzten Kapitel beschrieb Greenblatt, wie er viel Geld mit einem derivativen
Wertpapier namens LEAP (Longterm Equity Anticipation Security) verdient hatte.
Durch den
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