Lewis, Michael
dazugehörte. »Ich habe mich mal bei Goldman Sachs
über Paulson erkundigt«, berichtete ein vermögender Mann, den Paulson Mitte
2006 in Sachen Fonds beraten hatte. »Dort erzählte man mir, dass er ein
drittklassiger Hedgefondsmanager sei, der keine Ahnung hatte, wovon er sprach.«
Paulson trieb mehrere Milliarden US-Dollar von Investoren auf, die seinen Fonds
als Versicherung ihrer Portfolios aus immobilienabhängigen Aktien und Anleihen
ansahen. Paulson erinnerte sich daran, weshalb er letztlich begriff, was sich
auf dem Hypothekenmarkt abspielte - er hatte seine ganze Laufbahn mit der Suche
nach überbewerteten Anleihen verbracht, gegen die er spekulieren konnte. »Ich
habe Anleihen gerne leerverkauft, weil das Verlustrisiko begrenzt war«,
erzählte er mir. »Das ist eine asymmetrische Art der Spekulation.« Er war
geschockt zu erfahren, wie viel einfacher und günstiger es war, Credit Default
Swaps zu erwerben, als eine bestehende Kassaanleihe leerzuverkaufen - obwohl
man damit im Prinzip aufs gleiche Pferd setzte. »Ich engagierte mich mit einer
halben Milliarde. Dann wurde ich gefragt: >Darf es auch eine Milliarde
sein?< Ich entgegnete: »Warum so bescheiden? In nur zwei oder drei Tagen war
ich schon mit 25 Milliarden im Geschäft.« Paulson war noch nie zuvor auf einen
Markt gestoßen, auf dem ein Investor Aktien oder Anleihen im Wert von 25
Milliarden US-Dollar leerverkaufen konnte, ohne dass daraufhin der Preis ins
Uferlose sank oder gar der Markt zusammenbrach. »Keine Frage, ich hätte ohne
Weiteres auch bis auf 50 Milliarden gehen können.«
Noch
im Sommer 2006, als die Immobilienpreise schon nachgaben, musste man eine
gewisse Charakterstärke haben, um zum einen die hässliche nackte Wahrheit - die
alte Hexe in Gestalt einer jungen wunderschönen Frau - zu erkennen und zum
anderen entsprechend darauf zu reagieren. Jeder, der das schaffte, hatte
irgendetwas zum jeweiligen Zustand des Finanzsystems zu sagen - wie es der Fall
ist bei Menschen, die ein Flugzeugunglück überleben, den Absturz aus ihrer Sicht
schildern und sich dann sogar noch darüber auslassen, welche Art von Menschen
solche Desaster überleben. Man könnte behaupten, dass alle von ihnen per
definitionem merkwürdige Zeitgenossen waren. Und natürlich waren sie nicht alle
aus demselben eigenartigen Holz geschnitzt. John Paulson hatte eine seltsame
Vorliebe für die Spekulation gegen riskante Anleihen und verfügte über die
erstaunliche Gabe, andere zu überzeugen, es ihm gleichzutun. Mike Burry war
ein merkwürdiger Eigenbrötler, der sich strikt gegen die öffentliche Meinung
abschottete, keinen Wert auf zwischenmenschliche Kontakte legte und sich
stattdessen auf harte Fakten und Anreize konzentrierte, die das Finanzgebaren
von Menschen in der Zukunft beeinflussen würden. Steve Eisman stand mit seiner
Überzeugung allein da, dass die erhöhte Verschuldung der US-amerikanischen
Mittelschicht an Betrug grenzte und überaus schädlich sei und dass insbesondere
der Markt für minderwertige Hypotheken eine Maschinerie sei, die der Ausbeutung
und am Ende der Zerstörung diene. Jeder von ihnen besetzte eine Nische, jeder
von ihnen lieferte eine Erklärung, auf die bislang noch niemand gekommen war,
und hatte eine einzigartige Idee, wie sich das Risiko minimieren ließe.
Womöglich hätte sich die Katastrophe verhindern lassen, wenn sich ihre
Überzeugungen durchgesetzt hätten. Doch es blieb eine riesige Lücke, die
keiner der ganz großen professionellen Investoren zu füllen vermochte. Erst
Charlie Ledley ist dies letztendlich gelungen.
Charlie
Ledley - der merkwürdigerweise recht unsicher wirkte - war schon sehr eigen in
seiner Überzeugung, dass die beste Methode, an der Wall Street Geld zu machen,
darin bestand, sich immer das herauszupicken, was an der Wall Street als extrem
unwahrscheinlich galt, und dann darauf zu spekulieren, dass es dennoch
eintreten würde. Charlie und seine Partner hatten schon oft genug nach dieser
Prämisse gehandelt und Erfolg damit gehabt. Deshalb wussten sie nur allzu gut,
dass die Märkte eher dazu tendieren würden, die Wahrscheinlichkeit einer
verheerenden Veränderung zu unterschätzen. Dennoch lautete der erste Gedanke
Ledleys, als er die Unterlagen durchblätterte, die ihm ein Freund hatte
zukommen lassen - eine Präsentation über Short-Engagement in
Subprime-Hypothekenanleihen, die ein Kerl namens Greg Lippmann erstellt hatte,
der für die Deutsche Bank arbeitete: Das ist zu schön, um wahr zu
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