Lewis, Michael
sich um die Verträge, die die Vereinigung der
Swap- und Derivatehändler ISDA entwickelt und auf die sich Mike Burry
zurückgezogen hatte, bevor er seine ersten Kreditausfallversicherungen erwarb.
Wer so einen ISDA-Vertrag abschloss, konnte zumindest theoretisch mit den
großen Unternehmen der Wall Street Geschäfte machen und galt dann, wenn nicht
als Gleichgestellter, so doch zumindest als Großer. Das Problem war, dass sie
trotz ihres Erfolgs kaum über Kapital verfügten. Schlimmer noch, das wenige,
was sie hatten, war auch noch ihr eigenes. Für die Wall Street waren sie
bestenfalls »vermögende Einzelanleger«. Reiche Leute. Reiche Leute kamen in der
Wall Street in den Genuss eines wesentlich besseren Service als Leute aus der
Mittelschicht, doch im Vergleich zu institutionellen Investoren waren auch
vermögende Anleger Menschen zweiter Klasse. Um es auf den Punkt zu bringen:
Reiche Leute wurden normalerweise nicht dazu eingeladen, abgehobene
Sicherheiten wie Kreditausfallversicherungen zu kaufen oder zu verkaufen, die
nicht an der Börse gehandelt wurden. Die Wertpapiere eben, um die sich an der
Wall Street immer mehr drehte.
Anfang
2006 verfügte Cornwall Capital über knapp 30 Millionen US-Dollar, doch in den
Augen der Wall-Street-Firmen, die mit Credit Default Swaps handelten, war dies
eine lächerlich geringe Summe. »Wir riefen Goldman Sachs an«, erinnerte sich
Jamie. »Schon nach wenigen Augenblicken war klar, dass sie keine Geschäfte mit
uns machen wollten. Bei Lehman Brothers hat man uns unverhohlen ausgelacht. Es
kam uns vor, als sei die Wall Street eine uneinnehmbare Festung, in die man nur
hineinkam, wenn man sie erklomm oder einen Graben grub.« »J. P. Morgan hat uns
die Geschäftsbeziehung sogar aufgekündigt«, berichtete Charlie. »Wir würden zu
viel Ärger machen, hieß es.« Womit J. P. Morgan nicht ganz unrecht hatte. Sie
verfügten über lächerlich wenig Kapital und wollten doch wie wichtige Kunden
behandelt werden. »Wir wollten Optionen auf Platin bei der Deutschen Bank
kaufen«, erzählte Charlie. »Aber die zickten herum: >Tut uns leid, aber das
geht nicht.<« Die Wall Street sorgte dafür, dass man zur Kasse gebeten
wurde, wenn man sein eigenes Geld verwaltete, anstatt jemanden von der Wall
Street dafür zu bezahlen. »Niemand wollte mit uns Geschäfte machen«, erinnerte
sich Jamie. »Wir haben wie wild herumtelefoniert, aber interessant ist man
erst, wenn man 100 Millionen US-Dollar besitzt.«
Als
sie dann schließlich UBS, die große Schweizer Bank, anriefen, waren sie schlau
genug, um die Frage, wie viel Geld sie denn zur Verfügung hätten, offen zu
lassen. »Wir hatten es schon drauf, wie wir uns vor dieser Antwort drücken
konnten«, erklärte Jamie. Letztlich führte dieser Kniff dazu, dass UBS etwas
länger brauchte, um sie abzuweisen. »Sie wollten von uns wissen: >Wie hoch
ist Ihr Short-Engagement?<«, erinnerte sich Charlie. »Wir blieben so vage
wie nur möglich. Dann stellten sie uns die nächste Frage: >Wie ist Ihre
Trading-Frequenz?< Nicht so hoch, lautete unsere Antwort. Dann gab es eine
lange Pause, nach der es hieß: >Ich muss erst noch mit meinem Vorgesetzten
sprechen.< Wir haben nie wieder etwas von ihnen gehört.«
Auch
bei Morgan Stanley oder Merrill Lynch und all den anderen hatten sie kein
Glück. »Sie alle wollten unsere Werbebroschüren und dergleichen sehen«, meinte
Charlie. »Wir mussten dann kleinlaut zugeben, dass wir so etwas gar nicht
besäßen. >Gut, dann zeigen Sie uns eben Ihren Verkaufsprospekt.< Auch
hier mussten wir passen, schließlich arbeiteten wir mit unserem eigenen Geld.
Und wenn sie dann unser Geld sehen wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als
zuzugeben: >Äh, davon haben wir auch nicht genug.< Dann kam die Frage
nach unseren Lebensläufen.« Wenn Charlie und Jamie irgendeine Verbindung zur
Finanzwelt gehabt hätten - ein Angestelltenverhältnis oder dergleichen -, hätte
es ihre Anfrage wohl glaubhafter wirken lassen, aber so ... »Unsere Gespräche
endeten immer mit einem >Ja, aber was haben Sie dann überhaupt?<.«
Chuzpe.
Und 30 Millionen US-Dollar, mit denen sie tun und lassen konnten, was immer
sie wollten. Und einen ehemaligen Derivatehändler, der zwar oft an
Weltuntergangsdepressionen litt, aber genau wusste, wie der Hase an der Wall
Street läuft. »Zwei Jahre lang hatten Jamie und Charlie versucht, an einen
ISDA-Vertrag zu kommen, aber sie hatten keine Ahnung, wie sie das anstellen
mussten«, erzählte Ben.
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