Lewis, Michael
der Orders entgegennahm.
Letzten
Endes erreichten sie ihr Ziel doch, und es kam zu einer persönlichen Begegnung
mit der Wall-Street-Legende Greenberg - allerdings fiel diese so kurz aus,
dass sie hinterher nicht mit Gewissheit sagen konnten, ob es tatsächlich Ace
Greenberg gewesen war, den sie gesehen hatten, oder sein Double. »Wir wurden
hereingebeten und bekamen ihn ganze 30 Sekunden - nicht eine länger - zu
Gesicht. Dann wurden wir sofort wieder hinauskomplimentiert«, berichtete Jamie.
Nichtsdestotrotz: Ace Greenberg war ihr Broker, auch wenn sie kein einziges
Wort mit ihm wechselten.
»Wir
verstanden dieses ganze Getue um Ace Greenberg einfach nicht«, meinte Charlie.
Doch
auch der Mann, den sie nun »das Double von Ace Greenberg« nannten, konnte ihnen
bei ihrem größten Problem nicht helfen. Sie waren einfach nur kleine private
Investoren. Die großen Firmen an der Wall Street blieben ihnen ein Rätsel. »Ich
bin nie in das Innerste einer Bank vorgedrungen«, sagte Charlie. »Ich kann mir
nur vorstellen, was dort alles vor sich geht. Aber dazu muss ich quasi mit den
Augen eines anderen sehen.« Wenn sie die Geschäfte machen wollten, die ihnen
vorschwebten, mussten sie von den großen Firmen an der Wall Street fälschlicherweise
für Investoren gehalten werden, die genau wussten, wie der Hase läuft. »Als
Privatanleger bist du ein Mensch zweiter Klasse,« meinte Jamie. »Du bekommst
keinen guten Preis, der Service lässt zu wünschen übrig, es ist einfach alles
mies.«
Ihr
Vorhaben nahm mit der Hilfe von Jamies neuem Nachbarn, Ben Hockett aus
Berkeley, Gestalt an. Hockett war ebenfalls Anfang 30 und hatte als
Angestellter der Deutschen Bank in Tokio neun Jahre lang mit Derivaten
gehandelt. Ebenso wie Jamie und Charlie verströmte er den kräftig-süßlichen
Geruch eines Aussteigers. »Als ich damit anfing, war ich 22 und Single,«
berichtete er. »Mittlerweile habe ich eine Frau, ein Baby und einen Hund. Ich
hatte meine Arbeit so satt. Ich konnte mich selbst nicht ausstehen, wenn ich
abends nach Hause fuhr. Ich wollte nie, dass mein Kind von so einem Vater
großgezogen wird. Für mich stand fest, ich musste da raus.« Als er seine
Kündigung bei der Deutschen Bank einreichen wollte, bestanden seine Vorgesetzten
darauf, dass er ihnen mitteilte, was ihm alles nicht passte. »Ich habe ihnen
dann gesagt, dass ich Büros nicht ausstehen kann. Dass ich keinen Anzug tragen
will. Und dass ich auf keinen Fall in einer Großstadt leben möchte. Ihre
Antwort lautete schlicht: >Okay.<« Dann erklärten sie ihm, dass er tragen
könne, was er wolle, dass er sich seinen künftigen Wohnort selbst aussuchen
solle und auch selbst bestimmen könne, wo er denn am liebsten arbeiten würde -
selbstredend für die Deutsche Bank.
Ben
zog von Tokio nach San Francisco Bay. Im Gepäck hatte er 100 Millionen
US-Dollar an Geldern der Deutschen Bank, mit denen er von seinem neuen Zuhause
aus arbeiten sollte. Er vermutete, nicht ganz ohne Grund, dass er wohl der
einzige Mensch in Berkeley war, der sich im Markt für derivative
Kreditinstrumente nach Arbitragegelegenheiten umsah. Deshalb überraschte es
ihn zu erfahren, dass es nur ein paar Häuser weiter einen Kerl gab, der von
seinem Schreibtisch aus weltweit Jagd auf langfristige Optionen auf finanzielle
Dramen machte. Ben und Jamie machten es sich zur Gewohnheit, ihre Hunde
gemeinsam auszuführen. Jamie löcherte Ben dann mit Fragen darüber, wie die
großen Firmen der Wall Street funktionieren, oder auch, was es mit
»esoterischen« Finanzinstrumenten auf sich hatte. Und schließlich überredete er
ihn, seinen Job hinzuwerfen und bei Cornwall Capital einzusteigen. »Nach drei
Jahren, die ich damit verbracht hatte, alleine in meinem Arbeitszimmer vor dem
PC zu sitzen und vor mich hinzuschuften, dachte ich, es wäre mal wieder ganz
nett, Kollegen zu haben«, schilderte Ben seinen Beweggrund. Er reichte seine
Kündigung bei der Deutschen Bank ein, um sich der fröhlichen Jagd nach Unglück
und Katastrophen anzuschließen, musste aber bereits nach kurzer Zeit
feststellen, dass er schon wieder alleine vor sich hinarbeitete. Charlie zog
zurück nach Manhattan, sobald er sich die Fahrkarte dorthin leisten konnte,
und Jamie, dessen Beziehung zu seiner Freundin zerbrach, folgte ihm nur allzu
gerne.
Die
Dreierbande war so etwas wie der Club der schrägen Vögel, da sie ihre leicht
verschrobenen Weltansichten teilten. Ben war ebenso wie Charlie und Jamie der
Überzeugung, dass
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