Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
Wein, der ihr gereicht wurde, lehnte sie aber ab.
„Wir wollten soeben berichten, wie wir entkommen konnten. Denn von außen musste es so aussehen, als würden alle mit dem Haus verbrennen.“ Er war ruhiger geworden. Nicht jeder hatte sich aus den Flammen retten können. Die Mütter und Geschwister, die gemeinsam an jenem Tag den Geburtstag Nireks feiern wollten, waren bereits erschlagen, bevor das Gebäude in Brand gesteckt wurde.
„Mein Vater war sehr streng zu mir. Nun, ich war wohl auch ein kleiner Raufbold zu jener Zeit.“ Ein verlegenes Lächeln lag in Nerairs Gesicht. „Oft schloss er mich in meiner Kammer ein, damit ich nicht weiteren Unfug anstellen konnte. Er verriegelte nicht nur die Tür. Nachdem ich mehrmals das Fenster als Ausgang benutzt hatte, sperrte er auch das zu. Ich musste einen anderen Weg finden, mich mit Freunden treffen oder Rivalen eine Abreibung geben zu können. Ich kratze also irgendwann ein Loch durch die Wand. Damit war ich jedoch erst im Stall. An der hinteren Wand, in einem Schweinekoben, löste ich mehrere Bretter und schaffte dort einen kleinen Durchschlupf. Dies war unsere Rettung an jenem finsteren Tag. Unser Überleben war dennoch nicht gesichert. Wir waren verletzt und der übermächtige Feind noch immer in der Nähe. Das ist das, woran ich mich erinnern kann. Ich weiß nicht, was weiter geschah. Aber es mussten viele Tage vergangen sein, bevor wir es schafften, auf unseren Hof zurückzukehren. Er war verlassen. So ging ich davon aus, dass mein Vater im Kampf gefallen war, so wie dies auch Thelan und Berando von Therani vermuteten. Wir gingen in die Stadt. Viele konnten uns gar nichts sagen. Andere erzählten, wie sie gesehen hatten, dass unsere Väter durch feindliche Klingen starben und ihre geschundenen Leiber mitgeschleppt wurden. Wir versuchten aus dem Gehörten zu erfahren, wohin man die Toten gebracht hatte. Wir wollten folgen, um sie wenigstens der heimatlichen Erde übergeben zu können. Aber es ließ sich keine Fährte mehr finden. Was konnten wir noch tun?“
„Jetzt solltet ihr die schweren Gedanken ruhen lassen. Freut euch über die Wendung des Schicksals.“
„Schicksal!“, rief Therani ganz außer sich. „Natürlich. Jetzt erst verstehe ich! Das also war es, warum uns unser Weg noch einmal nach Gitala führte.“ Die Umstehenden warfen ihm verständnislose Blicke entgegen und meinten sicherlich, dass er wohl doch etwas zu viel von dem frischen Bier getrunken hatte.
Nur drei der Anwesenden verstanden.
Auch in Niishna, einer kleinen Stadt in Renaor, gab es eine sehr gut gefüllte Taverne. Es war ein beliebter Treffpunkt finsterster Gestalten. Die Handlanger Parangors hatten hier ein zu Hause. Nicht eine gute Seele würde an diesem Ort zu finden sein. Dazu lag die Stadt zu dicht an der Grenze zum dunklen Land. Auch dessen Bewohner waren hier regelmäßig zu sehen.
In einem Nebenraum hatten sich mehrere mächtige Zauberer zurückgezogen. Alle paar Jahre trafen sie sich hier. Dann wollten sie ungestört von den Belangen ihrer Schergen sein. Diesmal allerdings fehlte einer von ihnen. Es war der Vater des Jüngsten in der Gruppe. Aber sie hofften darauf, dass er noch kommen würde. Von Cadar, der sie geführt hatte, wussten sie, dass er einige Zeit ausblieb.
Seit mehreren Stunden saßen sie zusammen und berichteten über ihre Erfolge, oder darüber, wie sich viele erdreisteten, sich gegen ihre Herrschaft zu erheben. Am meisten aber sprachen sie über die Möglichkeiten, die sich seit der Entmachtung der Halbelbin hätten auftun sollen. Sie hatten erwartet, dass die Menschen ihren neu gefundenen Mut schnell wieder verlieren würden. Doch schien das Gegenteil an vielen Orten einzutreten, gerade in Renaor. Wer sich dem Willen der Machtgierigen nicht entgegenzustellen wagte, verließ die Heimat und entzog sich so vorerst dem Zugriff der dunklen Herren.
Es war schon spät, dem Wein wurde kräftig zugesprochen und die finsteren Magier prahlten um die Wette mit ihren äußerst fragwürdigen Heldentaten.
In der Dunkelheit der Nacht braute sich drohend ein gewaltiges Unwetter zusammen. Der Wind erhob sich zuerst langsam. Sacht fielen Tropfen zu Boden. Doch zunehmend gewannen Sturm und Regen an Macht. Bald mischten sich Hagelkörner darunter. Bizarre Blitze zuckten gespenstisch über den finsteren Nachthimmel. Der Orkan peitschte jeden zu Boden, der sich im Freien befand. Aber auch in den einfachen Häusern gab es keine Sicherheit. Zuerst nahm das Unwetter die
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